Spremberg
(h). Es war die Zeit, als der Bäckersohn Strittmatter
hier das Gymnasium besuchte (1924 - 1930), das später nach
ihm, dem Dichter, benannt wurde. Die junge Frau aus dem niederbayrischen
Landshut und ihr Liebster aus dem Schlesischen, hatten sich beim
Gemüseaufkauf im Spreewald getroffen. Sollten sie da oder
dort ihr Nest bauen? Sie entschieden sich für die Goldene
Mitte: Spremberg. Vielleicht hatten sie erfahren, dass dies die
Mitte des Deutschen Reiches war. Vielleicht fanden sie auch nur
die Hügel so vertraut. Jedenfalls sagten sie sich: Eine bessere
Stadt findest du nirgendwo. Und sie gründeten 1927 ein Blumengeschäft.
Das Blumenhaus Winkler.
Zeiten ändern sich
Jens-Uwe Winkler denkt nicht darüber nach, ob vielleicht
der Dichter-Jüngling schon bei den Großeltern Blumen
kaufte. Zum Imponieren. Das lag dem. Aber den heutigen jungen
Leuten erst recht!, sagt der Florist. Die 18- bis
20-Jährigen geben zu Anlässen schon mal gutes Geld für
Blumen aus. Rosen, langstielig, in der Zahl des Geburtstages,
oder eben einen so dicken Strauß, das der kaum durch die
Türe passt. Die wollen ja was damit erreichen...
Die Zeiten haben sich geändert seit Omas Beginnen, aber im
Grundsätzlichen gibt er ihr Recht: Eine schönere Stadt
findest du nirgendwo. Gleich nach der Wende hat der eben in Pillnitz
ausgebildete Blumenbindermeister, der nun Floristikmeister hieß,
in Holland dazu gelernt. Ein Gärtner dort wollte mir
sein Geschäft für umsonst überlassen und ein Haus
dazu. Nein, habe ich gesagt, ich bin hier, um dazuzulernen und
das zuhause anzuwenden, in Spremberg. Da gab es nie ein
Zögern für ihn. Er hat dieses Spremberg im Blut.
Mal mutig loslegen
1983 hat Jens-Uwe Winkler, heute 46, die zehnklassige polytechnische
Oberschule absolviert. Ein langer Begriff, aber ganz gut damals.
Es glückte ihm (obwohl Jungen meist zur Armee oder zu Kohleberufen
überredet wurden), in die Blumenlehre zu kommen. Die Cottbuser
GPG Floralia erwies sich als ausgezeichneter Ausbildungsbetrieb.
Ich erinnere mich noch sehr an die ersten Tage, erzählt
der Florist, der heute die IHK-Prüfungen seines Faches abnimmt.
Er stand in der Gaststätte Bergmann im Cottbuser
WK XIII (Wohnkomplex, heute Stadtteil Sachsendorf) zwischen langen
Tafeln und unheimlich vielen Blumen. Eine tschechische Delegation
wurde erwartet, und es herrschte Aufregung. Die sagten:
Du kommst doch aus einem Blumengeschäft. Nun mach mal.
Ich hatte noch nie Tischdeko probiert, aber es klappte gut. Ich
hatte dann eine gute Lehre. Er schloss sie vorzeitig sehr
gut ab, durfte ein Jahr später zur Meisterschule. Die
Erfahrung, sich Aufgaben mutig zu stellen statt herumzudrucksen,
bewahrte er sich.
Es gab immer wieder diese Situationen. Zum Beispiel bei den ersten
Zusammenkünften mit den Westkollegen 1990. Die waren
aufgeschlossen, aber eine Dame erklärte uns, wie Blumen richtig
anzuschneiden sind. Ich nahm sie zur Seite, steckte ihr, dass
hier im Auditorium selbständige Betriebsinhaber sitzen, die
wissen möchten, wo die günstige Ware herkommt und mit
wem Kooperationen möglich sind. Das richtige Wort in
geeigneter Weise hat bewirkt, dass wir bald erfolgreich
in die neue Floristenzeit starten konnten. Mit betriebswirtschaftlichen
Einblicken in Stuttgart oder eben Holland.
Jens-Uwe Winkler hält sich für einen begabten Moderator.
Er kann geduldig, ganz ohne Hektik, auch komplizierte Dinge erklären.
Seine Arme liegen dabei auf dem Tisch, die Hände kreisen
und formen intensiv, die Finger durcharbeiten den engen Raum,
als knüpften sie an einem Blumenbukett.
In bewusster Tradition
Den ganzen, einfach ausgestatteten Raum hinterm Blumengeschäft
bestimmt Nützlichkeit: Computer, Kopierer, drei Regale für
Aktenordner und Bücher, viele, sehr viele Zettel. Anfangs
konnte ich mir gar nicht vorstellen, dass zum Blumengeschäft
der Computer gehört. Heute ists anders nicht denkbar.
Größere Aufträge laufen nur über Mails. Aber
ganz wichtig bleibt die Tradition. Wir haben schon Brautsträuße
der dritten Generation gebunden. Die Oma kam zu uns, dann deren
Tochter und nun die Enkelin. Das sind die Lichtmomente in
einem Familienunternehmen.
Die Zukunft gestalten
Auch jetzt passt es wieder bei den Winklers. Ich war wieder
einmal Prüfer, und da tauchte eine begabte Gärtnerin
auf, die zur Floristin umsattelte. Sie hat sich zu einem 1. April
bei uns beworben. Sie wurde mehr als eine Angestellte. Beide
haben zusammen einen 12- und eine 16-jährigen Jungen. Der
Ältere will Tischler lernen und dann Design studieren. Es
wird sich wohl in unserer Branche manches ändern. Wir müssen
offen sein, sagt der Vater. Aus seiner Tätigkeit in
zentralen Fachausschüssen weiß er: Von 2007 bis
2013 haben wir in Deutschland 9?000 Floristik-Fachgeschäfte
verloren. Künftig rechnen Fachleute auf 5?000 Einwohner
ein Geschäft. Spremberg hat derzeit 14. Hinzu kommen Sortimente
in Großmärkten, auf Wochenmärkten und an Tankstellen.
Hier spricht die Denkweise des Unternehmers, der mehr als die
eigenen Bilanzen im Blick hat. Wir haben hier in Spremberg
mit dem City-Werbering Wichtiges richtig gemacht, erklärt
der Mitbegründer und stellvertretende Vorsitzende dieser
Händler- und Unternehmergemeinschaft. Er rechnet Ronny Schuster
und Toralf Hasse, die diese Gemeinschaft maßgeblich prägten,
das Geleistete hoch an. Wir wussten am Anfang, dass Einkaufsstadt
für keinen alleine geht. Heute veranstalten wir mit Erfolg
viele Feste.
Vertrautheit, kurze Wege
Eine bessere Stadt findest du nirgendwo - das sagen heute auch
Besucher und hoffentlich viele Einwohner. Ich wohne hier
20 Meter neben dem Radweg. Gern steige ich mal auf, dann ist es
nicht weit zur Talsperre oder nach Neustadt. Solche Vorzüge
wie kurze Wege, Vertrautheit und viel Grün zeichnen Spremberg
aus. Aber wir haben noch zu viele Industriebrachen, und
es gibt nicht für alle wenigstens im Umkreis von 50 Kilometern
Arbeit. Da bleibt noch viel zu erledigen. Jens-Uwe Winkler
will sich beteiligen in dieser Stadt. Im Vorstand des LaGa-Vereins
tut er das. Diese Landes-Gartenschau bleibt unser Thema.
Aber nicht als einfache Show, sondern als nachhaltiges Projekt.
Mit Potential für viele Branchen.
Visionär sieht er Spremberg als eine Stadt mit Generationen-Wohnen.
Immer mehr Menschen werden alt und bleiben aktiv. Sie könnten
den Jüngeren helfen. Es tut weh, wenn wir Spielplätze
wegräumen, weil es dort laut ist - in unserer besten aller
Städte...
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Nicht ganz, aber fast hat Winklers Blumenhaus das Inferno von
1945 überlebt. Rundum, bis hin zum Markt, war alles in Trümmern.
Dieses Haus stand, wurde nun aber von marodierenden Banden angezündet.
Oma baute es wieder auf...
Schon in
der neunten Klasse hatte Jens-Uwe Winkler die Idee: Ich werde
Blumenbinder. Er brachte es zum Meister und erfolgreichen Prüfer
der IHK. Seit 1995 führt er den Familienbetrieb, den die
Großeltern 1927 gründeten und den er von seinem Vater
übernahm Fotos:
J. Hnr.
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