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„Mit Energietechnik
kann die Lausitz viel mehr machen“
Der Grünen-Kandidat Wolfgang Renner sieht
in der Region auch nach der Braunkohle viel Potenzial

Wolfgang Renner lebt seit 21 Jahren im Spreewald und ist Leiter des Naturparks Schlaubetal. Er möchte für die Grünen in den Bundestag. Die Heimatzeitung sprach mit dem Gewässerökologen.
Herr Renner, Sie sind in München geboren und aufgewachsen. Warum lernen Ihre Kinder hier sorbisch?
W. Renner: Wir haben gesagt, wenn wir hier schon leben, dann sollen die Kinder auch sorbisch lernen. Das ist doch selbstverständlich.
So selbstverständlich nun auch wieder nicht.
Sprache gehört zur Identität dazu. Einen kleinen Nachteil hat es allerdings. Die Kinder können über uns Eltern schimpfen, ohne dass wir sie verstehen.
Sie sind seit 1982 bei den Grünen. Kann ich Sie als grünes Urgestein bezeichnen?
Ein Urgestein ist ja oft jemand, der schon halb tot ist. Meine Frau sagt, ich bin immer noch kindisch.
Ich habe Sie auch noch nie mit Krawatte gesehen.
Ich besitze keine Krawatte. Und ich kann mir ehrlich gesagt auch keinen Anlass vorstellen, zu dem ich mir eine umbinde.
Der Einzug in den Bundestag?
Es ist ja oft so, dass Politiker auch ein bisschen Schauspieler sind. Dann erlebst du den Politiker privat und denkst: das gibt es doch gar nicht. Das ist ja ein ganz anderer. Ich kann mich nicht verstellen, und ich sehe es auch gar nicht ein. Das ist aber eine Eigenschaft, die ich bei vielen Lausitzern beobachte.
Ihr Name steht für Braunkohlegegnerschaft. Stört Sie das?
Ich gehöre nicht zu den Leuten, die sagen, dass wir von heute auf morgen mit der Braunkohleförderung aufhören müssen. Ich erkenne die Leistung dieser Technologie und die tollen Ingenieurleistungen an. Insofern ist Braunkohlegegner der falsche Ausdruck.
Sie wollen aber keine neuen Tagebaue...
Mit dem was an Kohle genehmigt ist, kommen wir locker die nächsten 20 Jahre aus. Dann haben wir 20 Jahre Zeit, die Arbeitsplätze zu schaffen, die in der Kohle verloren gehen. Bei 5000 Arbeitsplätzen sind das 250 im Jahr. Das ist keine Herkules- und schon gar keine Sisyphusaufgabe. Das schafft die Lausitz mit Sicherheit. Die Zeiten, wo die gesamte Lausitz von der Braukohle abhängt, wie zu DDR-Zeiten, sind längst vorbei.
Wo sehen Sie die neuen Arbeitsplätze?
Die Ingenieure in den Kraftwerken haben mehr drauf, als nur Kohle auszugraben und zu verbrennen. Wir haben mit der BTU eine starke Ausbildungsstätte. Mit Energietechnik kann die Lausitz viel mehr machen.
Als Plan B nennen Sie erneuerbare Energien. Welche?
Man kann etwa in den Tagebauen doch Hänge so schütten, dass sie maximale Neigungswinkel für Solarenergie haben. Und eines ist auch klar: Nicht an jedem Standort lässt sich ein Windrad aufstellen. Zur Wahrheit gehört auch, dass nicht jeder Arbeitsplatz, der in der Braunkohle verloren geht, durch erneuerbare Energien ersetzt werden kann. So funktioniert die Welt nicht.
Sie sehen auch in der Landwirtschaft Job-Potenzial?
Wir müssen mehr Arbeit in der Landwirtschaft schaffen. Und das schaffen wir nicht durch Massentierhaltung.
Sondern?
Wir müssen den Markt erobern, der vor unserer Haustür liegt. Der Berliner Bio-Markt wird momentan vom Ausland bedient. Die Brandenburger können die Nachfrage nicht mehr befriedigen. Das ist doch peinlich.
Woran mangelt es?
Es mangelt an Landwirten mit kleineren Landwirtschaften. Ist es noch Landwirtschaft, wenn ein Betrieb
10000 Hektar Land hat und dieser über Leiharbeiter das Land bewirtschaften lässt und die Förderprämien abgreift? Und nach der Ernte gibt es gar keine Weiterverarbeitung mehr? Es ist vielleicht ein bisschen romantisch, aber zu einem Dorf gehören ein Bauer, die Dorfwirtschaft, ein Bäcker und ein Konsum dazu. Im Spreewald gibt es gute Ansätze. Da werden die Gurken geerntet und auch weiterverarbeitet.
Welche Rolle spielt der Tourismus?
Die Kohle gefährdet durch die Braunfärbung der Fließe diesen stärksten und nachhaltigsten Wirtschaftszweig in der Lausitz. Abgesehen vom Tourismus wird in Spremberg eine Generation Kinder eingeschult, die die Spree nur rot kennen. Das ist schon krank.
Daran ist der jetzige Tagebau aber nicht schuld.
Die jetzigen Tagebaue sind nicht verantwortlich für die braune Spree. Vattenfall trifft da keine Verantwortung. Aber die heutigen Tagebaue schaden den zukünftigen Fließgewässern. Deshalb ist es auch wichtig, dass Vattenfall in der Lausitz bleibt und die Tagebaue ordnungsgemäß beendet.
Die BTU haben Sie schon angesprochen. Sie sind Fusionsgegner?
Na selbstverständlich. Als Lausitzer muss man gegen diese Fusion sein. Es ist absurd, was da passiert. So eine undemokratische Inszenierung der Fusion erlebe ich selten. Da muss ich schon über die Landesgrenzen nach Osten schauen, um diese Art der Demokratie zu erleben. Inhaltlich ist es fraglich, solch unterschiedliche Institutionen in eine zusammen zu quetschen.
Die Landesregierung erklärt, dass mit der Fusion die Lausitzer Standorte zukunftssicher gemacht werden sollen.
Natürlich. Und Horno ist der letzte Ort, der abgebaggert wird. Da geht es um reine Stellenkürzung. Eine Region, die im ländlichen Raum Bevölkerungsrückgang und Überalterung erlebt, muss eine Uni, die bundesweit einen hervorragenden Ruf hat, stärken.
Als letzte Frage ein bundesweites Thema der Grünen. Essen Sie Fleisch?
Ich bin kein Vegetarier. Ich esse gerne Fleisch, aber ich weiß, dass ich meinen Fleischkonsum noch ein bisschen runterfahren kann. Und das versuche ich derzeit. Der Fleischkonsum ist deutlich zu hoch und das Fleisch zu billig. In meiner Tiefkühltruhe ist Wild aus der Region. Wild ist eine gute Alternative. Da gibt es keine Massentierhaltung. Natürlich ist gegen gutgemachte Salami oder eine Hausmacherleberwurst vom Bauern oder Fleischer nebenan in Maßen auch nichts einzuwenden.



Wolfgang Renner ist der Direktkandidat der Grünen für den Bundestag. Er studierte Jura in München, in Mainz Biologie und trat bereits 1982 den Grünen bei

Foto: M. Klinkmüller

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