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„Wir wollen, dass junge Ärzte
in Brandenburg kleben bleiben“
2013 soll eine medizinische Hochschule entstehen / Ärzte-Ausbildung wird privat finanziert/ Cottbus beteiligt sich nicht als Träger der neuen Hochschule /
Interview mit dem Projektleiter Prof. Nürnberg

Region (mk). Neben Bremen ist Brandenburg das einzige Bundesland, das keine Ärzte ausbildet. Um dem Ärztemangel in der Region entgegen zu treten, haben das Städtische Klinikum Brandenburg GmbH und die Ruppiner Kliniken GmbH als Träger die staatliche Genehmigung der Medizinischen Hochschule Brandenburg Theodor Fontane beantragt. Der Märkische Bote sprach mit dem Projektleiter und Chefarzt der Ruppiner Klinik, Prof. Dr. Dieter Nürnberg zur ersten möglichen Ärzteausbildung im Land.

Herr Prof. Nürnberg, warum braucht Brandenburg eine eigene Ärzte-Ausbildung? Reicht die in Berlin nicht?
Prof. Dr. Dieter Nürnberg:
Wir müssen dem Ärztemangel im Land begegnen. Die alleinige Ausbildung in Berlin reicht nicht, da die Realität zeigt, dass die Brandenburger, die in der Hauptstadt jahrelang studieren, dort auch soziale Bindungen, seien es Freunde oder der Lebenspartner eingehen. Viele bleiben also nach dem Studium in Berlin kleben. Wir wollen aber, dass junge Ärzte in Brandenburg kleben bleiben.
Wie wird diese Hochschule finanziert?
Da Brandenburg keinen eigenen Beitrag zur Ausbildung leisten will oder kann, verzichten wir auf jeden staatlichen Euro. Die medizinische Hochschule wird rein privat finanziert.
Wer zahlt da was?
Das fünfjährige Medizinstudium kostet pro Student 115000 Euro. 80000 Euro davon würden Brandenburger Kliniken in Form von Stipendien übernehmen.
Was haben die davon?
Die Kliniken schließen mit dem Studenten einen Vertrag, der diesen für eine Frist wie etwa nach dem Studium die fünfjährige Facharztausbildung an die Klinik bindet. Wir nennen diese Art Bindung deshalb „Bundeswehrmodell“.
Und nach den fünf Jahren?
Ist der Student Facharzt und frei. Wir hoffen natürlich, dass er in den Jahren soziale Bindungen aufgebaut hat und die Region nicht verlässt.
Wie kommen die anderen 35000 Euro zusammen?
Die muss der Student selbst aufbringen. Über eine Studierendengesellschaft kann der Betrag aber vorfinanziert werden. Erst wenn der Student ein Gehalt hat, muss er zurückzahlen. Es gibt aber auch Kliniken, die selbst diese 35000 Euro übernehmen.
Wieviel Stipendien gibt es denn bislang?
Wir haben 37 gezeichnete Stipendien. Das zeigt, dass das Finazierungskonzept funktioniert.
Wie sieht das inhaltliche Konzept aus? Ist der Hochschul-Arzt ein ganz normaler Arzt wie der von der Universität?
Natürlich! Der Hochschul-Mediziner schließt die Ausbildung wie jeder angehende Arzt auch mit der Approbation ab. Nur die Ausbildung unterscheidet sich.
In wiefern?
Niedergelassene Ärzte aus der Region werden mit den Klinikärzten zusammenwirken, um so eine praxisnahe und wissenschaftlich-theoretische Ausbildung zu gewährleisten.
Wie sieht das konkret aus?
Der Medizinstudent lernt ja bislang im ersten Studienjahr Anatomie, dann Biochemie und so weiter und erst im vierten Jahr lernt er den ersten Patienten kennen. Bei unserer Hochschule wird der Student vom ersten Jahr an einen Tag in der Woche in einer Praxis verbringen. Wir wollen, dass der Student nicht nur büffelt und alle Theorie in seinen Kopf stopft, sondern er soll lernen, Probleme zu lösen. Durch die Praxisorientierung erlernt der Student ärztliche Fertigkeiten, so dass er nach der Approbation selbstständig und verantwortlich tätig werden kann.
Wo steht die Hochschule denn?
Bislang ist die Ausbildung bei den Trägern, also den Kliniken in Neuruppin und Brandenburg vorgesehen.
In Cottbus nicht?
Es gab monatelange Abstimmungsrunden. Wir wollten auch das CTK als Träger gewinnen. Aber die Stadt Cottbus als Träger des Klinikums lehnte diese Zusammenarbeit ab. Wir sind aber nach wie vor an einer Zusammenarbeit interessiert.
Was sind die Bewerbungskriterien?
Bislang müssen Abiturienten, die keinen Durchschnitt von 1,0 bis 1,3 haben, jahrelang auf einen Studienplatz warten. Viele studieren deshalb auch im Ausland wie in Budapest oder Riga. Um an der Medizinischen Hochschule angenommen zu werden, ist natürlich auch ein Abitur die Grundvoraussetzung. Aber die Motivation ist uns wichtiger als das Zeugnis.
Was ist mit Motivation denn genau gemeint?

Da wir die Studenten später als Ärzte im Land behalten wollen, gibt es einen Landeskinderbonus. Wer von hier kommt und in Gesprächen klar wird, dass er möglichst auch in Brandenburg seine Zukunft sieht, wird bevorzugt.
Wieviel Bewerber und Plätze gibt es denn?
Aktuell haben wir 120 Bewerber. 200 wollen wir in ein Auswahlverfahren für aktuell 45 Plätze einladen.
Wie sieht der Zeitplan aus?
Wenn die Genehmigung durch das Wissenschaftsministerium erteilt wird, wollen wir im Juli mit der Studentenauswahl beginnen und am 14. Oktober soll das erste Semester beginnen.“

Mit Prof. Dr. Nürnberg sprach Mathias Klinkmüller

Stadt macht nicht mit
Cottbus will keine medizinische Hochschule


Cottbus (mk). Auf Nachfrage erklärte die Stadtverwaltung Cottbus, dass es Gespräche zur Gründung einer medizinischen Hochschule gegeben hat. Drei Gründe führt die Stadt an, warum sie sich als Träger des Carl-Thiem-Klinikums gegen eine Mitträgerschaft an der Brandeburger Ärzte-Ausbildung entschieden hat. Zum einen sei die medizinische Ausbildung eine staatliche Aufgabe und zum anderen die Stipendien-Kosten für das CTK zu hoch. Zudem wolle sich die Stadt auf das Institut für medizinische Fortbildung konzentrieren, wird begründet.



Das Vorhaben der Gründung einer medizinischen Hochschule wird von der Ärztekammer Brandenburg mit Sitz in Cottbus (Foto), der Kassenärztlichen Vereinigung Brandenburg und dem Verband der Hausärzte Brandenburg unterstützt

Fotos: Mathias Klinkmüller


Prof. Dr. Dieter Nürnberg leitet das Projekt zur Gründung einer eigenen Ärzteausbildung in Brandenburg





Von der medizinischen Hochschule hätte auch das CTK von Fachkräften profitieren können
Foto: Jens Haberland

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