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Zwang ist ein schlechter Ratgeber
Schulrat Ulrich Hirthe gibt Antwort zur Frage, wie es für Schüler
nach der 6. Klasse weiter geht

Im Presse-Café Doppeldeck fand am Donnerstag der 1. Cottbuser Bildungsstammtisch statt. Schulleiter, Schulräte und Lehrer gaben Eltern Auskunft zur Frage, welche Schule nach der 6. Klasse die beste Schule für ihr Kind ist. Die Heimatzeitung sprach zuvor mit dem Cottbuser Schulrat Ulrich Hirthe.
Herr Hirthe, auf was müssen Eltern beim Bildungsweg nach der 6. Klasse achten?
U. Hirthe: Es ist wichtig, vorher mit dem Kind zu sprechen.
Passiert das nicht?
Wir haben die Erfahrung gemacht, dass die Eltern sehr ehrgeizig sind. Sie denken ihr Kind muss unbedingt ins Gymnasium. Schließlich geht das Nachbarkind ja auch dorthin. Eltern sind aber gut beraten, Wille und Wunsch des Kindes zu beachten. Zwang ist ein schlechter Ratgeber für den Bildungsweg.
Will nicht jedes Kind, wenn man es fragt, auf das Gymnasium?
Ich kann den Eltern da auch kein genaues Rezept geben. Den Eltern empfehle ich, ihr Kind zu beobachten. Für welche Dinge interessiert es sich? Interessiert es sich für Kunst, für Musik, hält es Belastungen aus?Hat es noch andere Hobbys ? Wie ehrgeizig ist es? Darauf würde ich das Gespräch mit dem Kind lenken. Es nutzt nichts, ein Kind, das nicht den Leistungswillen hat, auf ein Gymnasium zu schicken, wo es dann überfordert ist. Der Wunsch, das bessere Bildungsangebot für sein Kind nutzen zu wollen, ist verständlich. Aber Eltern müssen auch realistisch sein.
Die Gesamtschule führt ja auch zum Abitur oder?
Ja. Aber auch dort wird nicht jedes Kind aufgenommen.
Warum nicht?
Durch die Erhöhung der Anforderungen, die gestellt wurden, um an einem Gymnasium angenommen zu werden, haben Eltern die Gesamtschule als einfacheren Weg zum Abitur entdeckt.
Gibt es an der Gesamtschule Zugangsbeschränkungen?
Die Gesamtschule hat keine Eignungsprüfung. Die Schüler die sich hier bewerben, konkurrieren aber mit denen, die sich auch für die Gesamt-
schule entschieden haben. Wir haben mehr Anträge als Plätze. In Cottbus etwa gab es 200 Anträge auf 130 Plätze.
Warum baut man denn nicht mehr Gesamtschulen?
Für eine Aufnahme der Schüler gibt es zwei Kriterien. Zwei Drittel werden angenommen, wenn sie in der Nähe der Schule wohnen und für ein Drittel erfolgt ein Auswahlverfahren in dem auch die Noten eine Rolle spielen. Mehr Gesamtschulen zu bauen, würde nichts nutzen, da wir nach der 10. Klasse mindestens 40 Schüler für die gymnasiale Oberstufe der Gesamtschule brauchen. Diese speist sich meist von dem einen Drittel der Schüler, die wegen der Noten angenommen wurden, aber, jedoch nur sehr gering, auch aus denen, die wegen
der Standortnähe eine Zusage erhielten. Wir würden die gymnasiale Oberstufe nicht voll bekommen, wenn wir mehr Gesamtschulen bauen. Zudem sinken die Schülerzahlen in Cottbus und Spree-Neiße und wir wollen, dass das Schulnetz stabil bleibt.
Wie viel Gesamtschulen mit gymnasialer Oberstufe gibt es denn in Cottbus?
Die Theodor-Fontane Schule und die Sportschule aber auch am Oberstufenzentrum kann das Abitur abgelegt werden.
Wer auch an der Gesamtschule abgelehnt wurde, kommt auf die Oberschule. Ein schlechter Bildungsweg?
Fakt ist, dass der Abstieg vom Gymnasium zur Gesamtschule oder von dieser zur Oberschule häufiger vorkommt, als der Aufstieg von der Oberschule in die beiden erstgenannten.
Also ist die Oberschule eine Bildungs-Sackgasse?
Nicht unbedingt. Der Zug ist auch für Oberschüler nicht abgefahren. Auch ein Oberschüler kann nach der 10. Klasse die gymnasiale Oberstufe und somit ein Abitur erreichen.
Wie viele Oberschüler schaffen diesen Sprung ?
Etwa zehn bis 15 Prozent. Das ist nicht viel. Es zeigt aber auch, dass mit dem Besuch einer Oberschule der Bildungsweg nicht zwangsläufig beendet sein muss und nichts verbaut ist.
Es fragte Mathias Klinkmüller


Schulrat Ulrich Hirthe wirbt bei Eltern dafür, weniger Zwang auf die Kinder bei der Entscheidung, auf welche Schule es gehen soll, auszuüben. Es gibt keine Sackgassen  Foto: M.K.

Schulrat Ulrich Hirthe wirbt bei Eltern dafür, weniger Zwang auf die Kinder bei der Entscheidung, auf welche Schule es gehen soll, auszuüben. Es gibt keine Sackgassen
Foto: M.K.

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