Folgen: aus dem Hause Cottbuser General-Anzeiger Verlag GmbH

Ein ausschweifendes Fest der Phantasie
Anmerkungen zur Opern-Premiere
von „Hoffmanns Erzählungen“ in der Regie von Martin Schüler

Cottbus. Das also ist Schülers zweiter „Hoffmann“. Im Februar 1993 hat er einen mit dem amerikanischen Riesen John Pierce herausgebracht. Kraftvoll stellte der sich damals einer Partie, mit der Tenöre fast immer Probleme haben können. Nun sah sich Jens Klaus Wilde vor dieser Aufgabe und war über weite Strecken großartig, aber eben doch nicht immer glücklich bis in die Wipfel der hohen Bäume dieses rauschenden Waldes der Phantasien.
„Hoffmanns Erzählungen“ ist jene nicht vollendete Oper des Operettenmeisters Offenbach, in der, intellektuell fast ins Maßlose überladen, alles Erlebte, Erlogene und Erlittene gigantischer romantischer Text- und Tondichtung mitten im 19. Jahrhundert in ausschweifendem Sinnesfest zusammenfließt. Was kein Zuschauer begreifen, sondern eben einfach nur staunend schauend und hörend genießen kann, musste einen allzu gern in Tönen und Bildern schwelgenden Operndirektor Schüler und seinen vor Witz sprühenden GMD Evan Christ zum Komplott herausfordern. „Hoffmanns Erzählungen“ also erneut. Zum Glück, lässt sich nur sagen, denn hier fügt sich eine leidenschaftlich überwallende Ensembleleistung, wie sie eben nur in so romantischen Gefilden bei gewollter Schwülstigkeit möglich ist. Herrlich klingende und gestaltete Chöre (einstudiert von Christian Möbius), dreiste Tänze der Ballett-Damen (Choreografie AnnaLisa Cantoin) und eine prunkvolle Theaterkulisse im Theater (Bühne Hans-Holger Schmidt) vor der noble Kostüme im protzenden Paris (Jessica Karge) keineswegs zurückstehen.
Die Oper in fünf Akten (oder drei plus Vor- und Nachspiel) liegt in verschiedenen Fassungen vor, hier gilt die von Fritz Oeser. Der Dichter Hoffman (für den der wirkliche E.T.A. Hoffmann anregendes Vorbild, nicht Muster, ist) schwärmt und trinkt. Seine Muse, als Niclas verkleidet, der später sich wandelnde Stadtrat und die Studenten tummeln sich im Weinkeller. Hoffmann singt seine Geschichte vom Klein-Zack und gerät in die Zwischenwelt von Wahn und Wirklichkeit. Er besingt drei Figuren für eine. Olympia begegnet er als Puppe, ganz mechanisch verkörpert von Debra Stanley. Cornelia Zink mit ihrer sinnlich-reinen Stimme ist das junge Mädchen Antonia, Gesine Forberger, gewohnt großartig, später die Kurtisane Giulietta. In jeweils vier Rollen bieten Andreas Jäpel (Stadtrat Lindorf) und Hardy Brachmann, zunächst der Diener, sängerisch wie auch darstellerisch überzeugende Leistungen. Marlene Lichtenbergs geheimnisvoll verhaltenes Wesen mit wundervoller Stimme umrahmt und erhebt als „Muse“ und Niklas die zentrale Figur des am Ende tragischen Dichters. Alle Partien sind bestens besetzt, es musiziert ein herausragendes Philharmonisches Orchester. So gab es kräftigen und lang anhaltenden Premierenbeifall mit teilweise doppelten Blumenwürfen. Nächste Vorstellungen sind am 18.11. und 16.12.
J. Heinrich



Szene aus HOFFMANNS ERZÄHLUNGEN im Staatstheater Cottbus. Im Vordergrund Gesine Forberger als Giulietta, eine der drei Traumdamen des Hoffmann, und Jens Klaus Wilde in der Titelrolle. Dahinter Damen des Balletts und die Herren des Opernchores
Foto: Marlies Kross




Szene mit Andreas Jäpel als Doktor Mirakel (auch als Stadtrat, Optiker und Kapitän auftretend) und Cornelia Zink als junges MädchenAntonia, mit hellem Sopran und naivem Spiel begeisternd

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