Das Volkslied ist unser Stammkapital
40 Frauen hören auf Vera Schmidt: Nicht rumgammeln, fröhlich arbeiten

Cottbus (h). Nur einer im Raum schweigt ganz still. Marius. Er schläft tief. „Wenn er aufwacht, muss ich ihm die Brust geben“ sagt seine Mutti lachend. Der Kleine ist gerade vier Wochen alt. Kein Grund für die junge Frau, eine Probe zu versäumen - gerade jetzt vor dem Auftritt am 7. November, 19 Uhr, in der Freikirchlichen Gemeinde in der Bautzener Straße 111. Dort erklingt das Jubiläumskonzert des Frauenchors, der früher ein Lehrerchor war. 35 Jahre besteht er. Auch Hella Steckel (91) verpasst die Generalprobe nicht. Sie arbeitet konzentriert mit. „Die 106 jetzt mal, wir wollen hören, was da noch zu verbessern ist“, gibt Vera Schmidt vor und schlägt auf dem E-Piano den Ton an. „Wünsche dir ebene Wege...“ beginnt das irische Lied. „Wü! wü! Das muss als ein Ton kommen, nicht gezogen...“ Jetzt klingt es besser. „Nein, wir gammeln nicht rum, wir arbeiten fröhlich“, sagt Vera Schmidt. Die Chorvorsitzende Hannelore Schröder freut sich - wie alle hier im Raum - dass sie mit Vera so eine Expertin als Chorleiterin haben.
Die geborene Finsterwalderin trieb Musikerziehung am Institut für Lehrerbildung und an der Hochschule Potsdam. Jetzt dirigiert sie mehrere Laienchöre und dreimal im Jahr auch den „Landeschor“. Da singen und arbeiten Chorleiter zusammen und lernen voneinander.
Die Lausitz ist ein Land der Chöre, seit 150 Jahren fest verankert im Deutschen Sängerbund. Vor der Wende gab es in den drei brandenburgischen Bezirken 450 Chöre, immerhin 233 bestehen noch. Und sie leben überwiegend Genuss, Geselligkeit und „fröhliches Arbeiten“ mit höchst achtbaren Ergebnissen. Wie dieser Frauenchor, der - Marius nicht mitgerechnet - ein Durchschnittsalter von 53 Jahren hat. Sechs Sängerinnen sind seit dem ersten Tag dabei. „Das Volkslied ist unser Stammkapital“ sagt Vera Schmidt, aber auch Kunstlieder stehen im Repertoire.