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Förderschulen führen in Sackgassen
Bildungsministerin Münch hält Aktionismus für falsch: „Schule ändert sich nur in langen Prozessen über viele Jahre“ / Guter Ansatz in Schmellwitz

Region. Am Wochenende hält die SPD Landesparteitag. Neben der Wahl der Parteispitzen - die Cottbuserin Dr. Martina Münch kandidiert erneut für ein Stellvertreteramt - soll das Papier 2030 weiter profiliert werden. Über einige Aspekte, die darin im Abschnitt Schule behandelt werden, sprachen wir mit der Bildungsministerin.
Der Mutter von sieben Kindern liegt die gesellschaftliche Achtung für den Lehrerberuf sehr am Herzen. Erstmals sind letztes Jahr Lehrerpreise verliehen worden. „Wer stolz auf seinen Lehrerberuf ist, wird auch ein guter Lehrer sein“, hat sie erfahren. Nicht immer gelingt das Optimale. „Die neue Lehrerausbildung soll deshalb mit Eignungstests und Prüfung der Stressresistenz beginnen“, erläutert die Ministerin - nicht, um Bewerber auszuschließen, sondern um frühzeitig richtig zu beraten. Die „gefühlt hohe Zahl an Unterrichtsausfällen“ sei in Wirklichkeit nicht so dramatisch im Land, sondern mit 1,7 Prozent „Absolut-Ausfällen“ viel geringer als zum Beispiel in Sachsen. „Aber wir liegen bei neun Prozent Vertretungsstunden“, räumt sie ein. In oberen Klassen lasse sich Lehrerausfall manchmal durch Schülerbeschäftigung lösen, aber es gebe auch schwierige Situationen. Dass Lehrer häufiger als andere Berufstätige zum Beispiel durch das moderne Überlastungssyndrom „Burn Out“ ausfallen, will sie nicht akzeptieren. Dennoch laufen Langzeitprojekte zum Gesundheitsmanagement bei Lehrern. Im Oktober gibt es eine Tagung, die untersuchen will, wer ausfällt und wie sich Lehrergesundheit schützen lässt.
Alles, was mit Schule zu tun hat, kann sich nicht abrupt ändern, ist aber schon allein wegen der demografischen Bewegungen Wandlungen unterworfen. Das Flächenland hat weiterhin mit Schulschließungen und weiten Fahrwegen für Kinder ein Problem, auch schon im Spree-Neiße-Kreis. Aber: „Schule ändert sich in langen Prozessen, da ist jeder Aktionismus falsch.“ Und die Ministerin ergänzt: „Es gibt so viele Umwege in den Biografien, das erleben wir immer wieder.“ Deshalb plädiert sie für Durchlässigkeit der Bildungsstationen. „Auch aus der Oberschule sollte der Weg bis zum Abitur wieder offen sein, wenn ein Kind diese Entwicklung nimmt.“
Sie weiß sich in dieser Hinsicht einig mit einer großen Elternzahl. Das ist abzulesen an der Vorzugswahl Gesamtschule. Die Kinder haben dort 13 Jahre Zeit bis zum Abitur, falls sie es wollen. Hingegen ist die Eltern-Lehrer-Welt voller offener Fragen und Unsicherheiten, was die „Inclusion“ betrifft, also den Wegfall von allgemeinen Förderschulen. Die Kinder mit allgemeinem Förderbedarf sollen ab Schuljahr 2015/16 gleich ab erster Klasse in normale Klassen aufgenommen und hier gegebenenfalls bei sonderpädagogischer Begleitung im Klassenverband beschult werden. Das entscheidende Argument der Ministerin lautet: „Die Förderschulen, die wir kennen, sind trotz der großartigen Leistung der Lehrer eine Sackgasse für die große Mehrheit dieser Kinder.“ Gemeint sind hier nicht spezielle Förderschulen, sondern die mit dem „Förderschwerpunkt Lernen“ definierten. Das neue Herangehen werde Kraft kosten, Lehrer müssen speziell geschult, Eltern vorbereitet werden. „Wir müssen uns dafür einfach Zeit nehmen“, glaubt Martina Münch, „wie überall, wo es um Kinder geht.“
Im Gespräch ist jetzt die Umwidmung der Pestzalozzi-Förderschule in Schmellwitz zu einer Oberschule. Vor allem zwei Aspekte treffen hier aufeinander: Die Erkenntnis, dass das jetzige Konzept dort die Kinder nicht zur Berufsreife führt, und andererseits die Chance einer sicheren Zukunft, wenn die Förderkinder künftiger Jahrgänge „normal“ beschult werden, also nicht mehr hier konzentriert sind. Als Oberschule, die Kinder berufsnah zu Abschlüssen führt, kann sie aber eine große Bedeutung erlangen.
„Es ist ein langsamer Prozess, in dem wir miteinander lernen. Aber wir wissen, dass es geht“, schließt Dr. Martina Münch.



Brandenburgs Bildungsministerin Dr. Martina Münch: Es gibt 85 Pilotschulen im Land, die sich untereinander austauschen und die wissenschaftlich begleitet werden




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