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Wissenschaft per Order?
Über den Sinngehalt einer Hochschul-Fusion und historische Aspekte Technischer Hochschulen sprachen wir mit Prof. Karl Heinz Schlüßler

Über die beabsichtigte Neu- oder Umgründung der BTU sprachen wir mit Prof. Karl Heinz Schlüßler, der hier viele Jahre forschte und lehrte.

Märkischer Bote: Vorab: Haben Technische Hochschulen derart kurze Halbwertzeiten?
Prof. SCHLÜSSLER:
Natürlich nicht. Ich nenne Gründungsjahre Technischer Hochschulen oder Universitäten: 1636 Havard USA, 1765 Bergakademie Freiberg, 1794 Ecole Politechnique Paris, 1821 Technische Hochschule Berlin, 1825 bis 1871 die Technischen Hochschulen Karlsruhe, München, Hannover und Dresden. Und schließlich: 1991 Technische Universität Cottbus.
Die Universitäten hatten viel Zeit, um sich durch kreative Wissenschaftler zu namhaften Einrichtungen zu entwickeln.
In Brandenburg geht das nicht. Warum?
Hier wollen diesen Prozess ehrgeizige Ministerinnen wie Frau Dr. Münch und Frau Prof. Kunst schon nach 20 Jahren durch politischen Einfluss und Gründung einer Energieuniversität beschleunigen. Ein sehr fragwürdiges Unternehmen, das wenig Kenntnis von den inneren Prozessen einer Universität vermuten lässt und vielleicht in die Reihe zu stellen ist mit dem Vermögen der Politik, den Bau des Flughafens Berlin/Brandenburg im Aufsichtsrat zu begleiten.
Wissenschaftsmanager Grünewald ist die Neuorganisation übertragen. Hat er eine Chance?
Nun, dieser Herr ist Historiker. Bei den Einrichtungen, die fusioniert werden sollen, handelt es sich aber um eine Technische Universität und eine ­Fachhochschule mit sowohl technischem als auch sozialwissenschaftlichem Profil. Im Vordergrund müsste also eine solide fachliche Strukturanalyse mit Feststellung möglicher Schnittmengen (die sind offensichtlich von sehr geringer Zahl) stehen. Dies einem Kenner der Vergangenheit (sprich: Geschichte) anzutragen, lässt vermuten: Es geht nur um die Form, nicht um Inhalte einer unsinnigen Fusion.
Woher kommt in der Brandenburger Regierung die Überzeugung, Wissenschaft ließe sich per Landtagsbeschluss, also per Order, bestimmen?
Das erschließt sich einem ehemaligen Universitätsprofessor nicht. Angeblich ist in einer Demokratie die Wissenschaft doch frei. Auch wenn es einige Schwachstellen in der BTU gibt, ist sie als Universität gut aufgestellt. Es gibt keinen Grund, sie abzuwickeln, wie es der Hochschule für Bauwesen ergangen ist.
Diese Vorgeschichte führte ja zu den Parallelstrukturen bei Bauwesen und Architektur...
Eben, man soll Fehler nicht immer wiederholen. Im Übrigen: Nur wenige Universitäten tragen heute noch die Bezeichnung Technische Hochschule im Namen, zum Beispiel die Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule Aachen, die ETH Zürich und die ETH Lausanne in der Schweiz, weil sie aber auf ihre Tradition stolz sind. Auch bilden Aachen, München und Dresden noch traditionsbewusst Diplom-Ingenieure aus und sind nicht dem BOLOGNA-System (Bachelor und Master) verfallen.
Danke für das Gespräch.
J.H.

Freundliches Beeinander der Gründer und Träger der Uni beim 20. Geburtstag 2011. Vorn Ministerin Prof. Sabine Kunst

Freundliches Beeinander der Gründer und Träger der Uni beim 20. Geburtstag 2011. Vorn Ministerin Prof. Sabine Kunst

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Der Mathematiker und Baustoff-Wissenschaftler Prof. Dr. Karl Heinz Schlüßler forschte und lehrte viele Jahre an der Hochschule für Bauwesen und an der Brandenburgischen Technischen Universität in Cottbus. Er unterhält heute ein Ingenierbüro in Kolkwitz
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