Folgen: aus dem Hause Cottbuser General-Anzeiger Verlag GmbH

Hochdramatisch schön
Cornelia Zink ist das Ereignis dieses barocken Festspieles
von Hauke Tesch und Evan Christ

Cottbus. Das Licht taucht den gewundenen Vorhang in samtiges Rot, und selbst der Nebel scheint Ausstatterin Gundula Martin zu gehorchen und dreht sich folgsam in barocken Schnörkeln. Stürzende Säulen nähren die Mystik, die sich kraftvoll aus der lyrisch-schwelgenden Musik des italienisch-französischen Meisters Donizetti ergießt. 71 Opern hat der Mann vollendet; die tragische Geschichte der „Lucia von Lammermoor“ (1835) war eine der erfolgreichsten.
Es bedurfte wohl erst dieser von Intendant Schüler entdeckten und zu unglaublichem Ehrgeiz entfachten Cornelia Zink, um diesen eigentlich „unglaublichen Schinken“ und musikalisch doch so wunderschönen Stoff auf unsere Cottbuser Bühne zu bringen. Die „Lammermoor“ soll hier zuvor nie gespielt worden sein. Mit dieser Besetzung der Lucia wird sie zum Opernereignis des Jahres! Bravo und wieder bravo für Cornelia Zinke, die eine verflixt schwierige Partie bis in extreme Höhen nahezu makellos bewältigt und die Freiheiten, die ihr das Belcanto gestattet, göttlich-spitzbübisch ausschöpft. Und das stimmlich wie auch darstellerisch, wenn sie gleich einer mechanischen Puppe ihren Wahn ausschweift.
Um Liebe, Leidenschaft, Feindschaft, Hass und Intrige geht es in diesem Familienbildnis, das Hauke Tesch zwar „semiszenisch“, aber doch darstellerisch durchaus erschöpfend zelebriert. Der Regisseur lässt die Geschichte so schaurig, aber keinesfalls überbordend erzählen, wie sie wohl von Walter Scotts Sujet her kommt und vom Librettisten Salvatore Cammarano aus Neapel in Worte gesetzt ist. Schön straff sind die Übertitel von Carola Böhnisch, gerade gut, den vibrierenden Emotionen Wortsinn zu unterlegen (bzw. „überschreiben“).
Die Geschichte ist zeitgerecht trivial: Aus zwei verfeindeten Familien findet ein Paar zueinander (siehe Romeo und Julia), doch die Frau wird, begleitet von Intrigen, zum Ehevertrag mit einem anderen gezwungen. Den ersticht sie in der Hochzeitsnacht, und, wahnsinnig werdend; stirbt sie selbst; ihr Geliebter will ihr in den Himmel folgen und bringt sich um.
Der bildmalerischen Musik ringt Dirigent Evan Christ immer neue Spannung ab, höchste Dramatik und tiefe Depression. Wirklich herzergreifend! Und mit welcher Wucht und dann wieder stummer Zurückhaltung der Chor agiert - auch das ist ganz und gar nicht semiszenisch zu nennen.
Mit Jacek Strauch erlebt das Premierenpublikum einen sehr statischen, aber stimmgewaltigen, reifen Bariton. Die anspruchsvolle Tenorpartie des Ravenswood bringt Jens Klaus Wilde, diesen drangvoll-ungeduldigen Darsteller, glänzend heraus, während James Elliotts Arturo etwas farblos zurück bleibt. Ingo Witzkes Blumenbass passt prächtig zum Raimondo. Hardy Brachmann als Hauptmann Norman und Marlene Lichtenberg in der Partie der Zofe sind präzise unterwegs in den kleineren Rollen.
Eine schöne Beigabe ist rechts am Bühnenrand die Glasharmonika, alternierend gespielt von Philipp Marguerre und Sascha Reckert. Dieses Instrument südlicher Volksmärkte vermag so sphärisch gedehnt zu weinen, dass dies im echohaften Dialog mit Lucia das Wahnsinnsbild ins Gotterbarmen steigert.
Ein wunderbarer Opernabend ist dem prächtigen Haus und
seinen Getreuen geschenkt. Das ganze Ensemble wurde gefeiert, vor allem aber wieder und wieder mit Standing ovations diese wahnsinnige Cornelia Zink. Man muss sie in dieser Partie erleben! J. Heinrich

Lucia (Cornelia Zink) soll ihrem Bruder Lord Enrico Ashton (Jacek Strauch) durch Heirat aus Schwierigkeiten helfen, doch ihre Liebe gilt einem Manne der verfeindeten Familie. Leidenschaft und Intrigen prallen aufeinander

Lucia (Cornelia Zink) soll ihrem Bruder Lord Enrico Ashton (Jacek Strauch) durch Heirat aus Schwierigkeiten helfen, doch ihre Liebe gilt einem Manne der verfeindeten Familie. Leidenschaft und Intrigen prallen aufeinander

„Lucia von Lammermoor“: Schluss-Szene mit Jens Klaus Wilde (vorn), dem von Lord Ashton (Jacek Strauch, r.) übel hintergangenen Geliebten seiner Schwester. Hinter ihm Lucias Zofe (Marlene Lichtenberg) und Chor	Fotos: Michael Helbig

„Lucia von Lammermoor“: Schluss-Szene mit Jens Klaus Wilde (vorn), dem von Lord Ashton (Jacek Strauch, r.) übel hintergangenen Geliebten seiner Schwester. Hinter ihm Lucias Zofe (Marlene Lichtenberg) und Chor
Fotos: Michael Helbig

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