Folgen: aus dem Hause Cottbuser General-Anzeiger Verlag GmbH

Den Krieg in den Knochen
„Alle meine Söhne“ in Regie von H. Fuhrmann

Cottbus. Familie. Hier wird sie klischeehaft vorgeführt. Amerika in den 1940er Jahren. Alles stimmt, selbst die Sambaschuhe, die Keller trägt, waren damals Mode. Ein feines Haus, breites Auto davor, akkurater Rasen. Ein großer, herunter gebrochener Apfelast stört das Bild. Er irritiert auch die Figuren. Aber es geht hier nicht um Sturm und Naturkräfte. Es geht um Gewalt und Lüge. Um unheilvolle Menschenkraft. Um Krieg.
Chris kommt aus der Schlacht. Er hat eine ganze Kompanie verloren. Er ist paralysiert. Aber wen interessiert das hier in der friedvollen Zivilisation?
Der Krieg sitzt diesen Menschen tief in den Knochen. Einige Lügenjahre lang war die Schuld verdrängt. Sie bricht auf, als der Vater, einst Kriegsgewinnler mit Flugzeugteilen, jetzt Kochtopffabrikant, sein Lebenswerk dem Sohn in die Hand legen möchte. Autor Arthur Miller hat ein enthüllendes Familiendrama der kriminellen Kleinbürgerbrut erzählt. Er glaubt dem amerikanischen Glanz nicht, setzte nach diesem Brodway-Stück noch mit „Tod eines Handlungsreisenden“ kritisch nach und bekam, gerade 33-jährig, den Pulitzer-Preis.
Das Stück in der Regie von Harald Fuhrmann, Ausstattung Okarina Peter und Timo Dentler, reißt eine Familienscholle aus dem heilen Umland heraus, stellt sie und die darauf Agierenden gnadenlos bloß. Das ist der Boden für großes, ergreifendes Schauspiel. Rolf-Jürgen Gebert gelingt die Figur eines Mannes, der harmlos-tuttelig einem Vögelchen nach pfeift, ehe er sich, nach und nach straffend, Geschäftlichem zuwendet, mit mächtiger Zigarre erstarkt, später grau verfällt, die zitternde Hand auf der Banklehne - ein geschlagener, ein toter Mann. Zur Einsicht nicht fähig. Gebert gibt dem Täter keine Gnade. - Und dann diese Frau! Sigrun Fischer zeichnet sie hart, verbissen das Unmögliche skandierend, und sie weint wirkliche Tränen! Der tote Sohn wird letzter Kläger, nachdem Oliver Seidel seinen Chris die ganze Verzweiflung dieser im Krieg zerstörten Generation ausschütten lassen hat.
Nein, es war nicht nötig, Ort und Zeit in jüngere Nachkriege zu rücken. Alles wird gesagt. Auch mit Hilfe der übrigen Darsteller. Eine faszinierende Aufführung, kammerspielhaft direkt. Es gab Riesenbeifall. J.H.

Was sollte ich tun? Was! - Es ging ums Geld, um die Firma, die Familie, um Euch! - Joe hat defekte Flugzeugteile geliefert. 21 Piloten kamen um. Auch sein Sohn? Der Mann ist am Ende. Rolf-Jürgen Gebert in einer Glanzrolle   Foto: M. Kross

Was sollte ich tun? Was! - Es ging ums Geld, um die Firma, die Familie, um Euch! - Joe hat defekte Flugzeugteile geliefert. 21 Piloten kamen um. Auch sein Sohn? Der Mann ist am Ende. Rolf-Jürgen Gebert in einer Glanzrolle
Foto: M. Kross

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