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Residenzpflicht ist nötig
Prof. Schlüßler analysiert die BTU-Geburtsfehler

Anmerkungen zum Thema
Energieuniversität Lausitz

Für den Märkischen Boten aufgeschrieben von Prof. Karl-Heinz Schlüßler, Cottbus/Gulben

1. Wieso zwei Fakultäten Bauingenieurwesen in Cottbus?

Die erhitzte Diskussion zum Thema entbehrt meines Erachtens einer gründlichen Analyse des Zeitraums der Gründung der beiden Einrichtungen Technische Universität Cottbus und Fachhochschule Lausitz, die sich in politisch turbulenter Zeit der Demokratisierung des Ostens vollzog. Es entstanden dabei Geburtsfehler.
Eine leistungsfähige Hochschule für Bauwesen wurde damals durch den Gründungssenat abgewickelt, ohne eine sachliche Analyse der wissenschaftlichen Kompetenz des vorhandenen Lehrpersonals vorzunehmen. Im Ergebnis wurde nur Prof. Raboldt als Universitätsprofessor in die Fakultät Bauingenieurwesen und Architektur neu berufen. Gleichzeitig kam es unter Prof. Sessner zur Parallelgründung einer Fakultät Bauwesen an der Fachhochschule Lausitz, wofür als Lehrpersonal die Professoren Käßner (Baustoffe), Gebauer (Baustoffchemie), Stopp (Bauphysik), Weber (Geomechanik), Krause (Technische Mechanik, Statik) und später Prof. Sommer (Architektur) und weitere ihr know how in die Lehre einbrachten.
Die zurzeit praktizierte Zusammenarbeit in einem gemeinsamen Institut muss man eigentlich nur als Schwächeanzeichen einer Technischen Universität und als eine Notlösung betrachten. In nüchterner Betrachtung wäre eine klare Lösung die Übernahme des Bereichs Bauwesen der Fachhochschule Lausitz durch die BTU-Cottbus, die aber mit einer Profilierung des Bereichs Bauwesen mit einem breiteren Fächerkanon verbunden sein müsste, denn es fehlen unter anderem Wasserbau und Straßenbau.

2. Vom Charakter einer Technischen Universität

Eine Technische Universität muss ein breites Spektrum der theoretischen und angewandten Wissenschaften beinhalten, wobei möglichst große Schnittmengenerforderlich sind. Denn ohne mathematische, physikalische, mechanische oder chemische Grundkenntnisse lassen sich komplexe Prozesse wie zum Beispiel der Automatisierungstechnik, der Schaffung neuer Werkstoffe oder von geophysikalischen Prozessen nicht betreiben.
An einer Technischen Universität muss es also eine breit aufgestellte Fakultät Mathematik, Naturwissenschaften und Informatik geben. Dazu müssen die zwei klassischen Ingenieurfakultäten Bauingenieurwesen mit Architektur und Maschinenbau mit Wirtschaftsingenieurwesen entwickelt sein.
Heutzutage darf eine Technische Universität nicht auf eine Fakultät Umweltverfahrenstechnik verzichten. Dass es diese Fakultät in Cottbus geben sollte, lässt sich bereits in einem nach der Wende erarbeiteten Strukturkonzept der Hochschule für Bauwesen nachlesen.
Wenn man diese Vorstellung akzeptiert, stellt sich heraus, dass die BTU-Cottbus die richtige Fakultätsstruktur besitzt, weshalb eine Neugründung unsinnig ist. Ein anderes Thema ist natürlich die Besetzung der Lehrstühle mit hervorragenden Professoren und einer kontinuierlichen Berufungspolitik, in der vakante Lehrstühle vermieden werden. Leider bewirkt hier meist das Sparsamkeitsprinzip des zuständigen Ministeriums das Gegenteil. Einer strukturellen Bewertung der vorhandenen Kapazitäten wird sich sicher niemand verschließen.

3. Corporate Identity einer Universität

In Sachen Identifizierung mit dem eigenen Unternehmen hat die BTU meines Erachtens erhebliche Defizite. Eine Ausnahme konnte man bei den Studenten beobachten, die gegen die "KUNST-Hochschule demonstrierten.
Das hängt eben damit zusammen, dass die Berufungen an die neue Technische Universität in hoher Anzahl aus der Technischen Universität Berlin heraus erfolgten. Die Folge war, abgesehen von einer überschaubaren Anzahl von Professoren, die sich auch in Cottbus niederließen, der spaßhaft so genannte "Di-Do-Effekt" mit verkürzter Wochenpräsenz.
Mit nicht als Norm festgeschriebener Residenzpflicht der Professoren ergeben sich natürlich Nachteile in punkto Identifikation mit dem Hochschulort und bei der Beharrlichkeit in der Treue zur Universität. Stattdessen fördert es geradezu dazu heraus, der Karriere wegen ständig nach neuen attraktiven Chancen an anderen Universitäten zu suchen. Eine soziale Integration in Cottbuser Freundeskreise findet so kaum statt. Da die Familie anderswo lebt, haben die Kinder hier auch keine Schulfreunde Cottbus und entfallen damit für die Teilnahme an einer Entscheidung zur Ortsbindung der Eltern.
Natürlich ist auch das Hochschulministerium an den zu beobachtenden Erscheinungen nicht von Schuld frei zu sprechen, wenn für exzellente Professoren nur 5-Jahresverträge angeboten werden und Bleibeverhandlungen nicht rechtzeitig in Angriff genommen werden. Schlussfolgerung: Statt eine neue Universität zu gründen, gibt es gute Ansätze dazu die bestehende BTU-Cottbus nachhaltig auch in der besprochenen Hinsicht auf neue Hausgesetze zu orientieren.

4. Vergleich BTU und FH Lausitz

Zu beachten ist, dass eine FH eine ganz andere Zielstellung in der Ausbildung zu realisieren hat als eine Hochschule; hier steht die Praxisorientierung der Absolventen im Vordergrund. Die FH hat kein Promotionsrecht, weshalb die wissenschaftlichen Mitarbeiter, sofern sie nicht extern promovieren, geringe Aufstiegschancen haben. Die Universitäten haben dagegen neben der Ausbildung der Studenten natürlich die Aufgabe, einen akademischen Nachwuchs hervorzubringen. Nicht umsonst wird der Lehrstuhlinhaber daran gemessen, wie viele Promotionen oder Habilitationen er erfolgreich betreut hat.
Es ist also für einen Professor an der FH erforderlich, sich dieses Sachverhalts bewusst zu sein. Obwohl er zuvor eine Universitätsausbildung genossen hat, kann er sich bestenfalls durch eine Betätigung in der Forschung und mit den dort erreichten Ergebnissen mit Universitätsprofessoren messen. Insofern ist es nicht vernünftig daraus abzuleiten, dass Fachhochschulen unter das Dach einer Universität müssen. Sie haben ein anderes Profil, das man eventuell etwas schärfen müsste. Der Autor möchte das wegen mangelnder Vertrautheit nicht bewerten; dennoch fällt auf, dass in den vier Fakultäten der FH Lausitz eine gewisse Heterogenität nicht zu übersehen ist. Beispiel: in der Fakultät 1, Ingenieurwissenschaften und Informatik, findet sich ein Studiengang Physiotherapie.

5. Leistungsfähigkeit der Hochschulen

Schaut man sich die Zahlen an, dann arbeitet die BTU mit 127 besetzten Professuren und 6000 Studenten effektiver, als die FH mit 93 Professuren und 3000 Studenten. Auch die Drittmitteleinnahmen sind mit 33 Mio. € viel höher als die 3 Mio. € an der FH. Das heißt, an der Leistungsfähigkeit der BTU kann man kaum Abstriche machen.

6. Das Thema DFG-Mitgliedschaft der BTU

In dem Kommissionsgutachten wir bemängelt, dass die BTU nicht Mitglied der DFG sei. Das hat aber den einfachen Hintergrund, dass die Deutsche Forschungs-Gemeinschaft nur Grundlagenforschung fördert. Der Anteil daran beträgt für die BTU nur 3 Mio. € und bedeutet Rang 67. Dieses Argument heranzuziehen, ist also für eine Technische Universität tödlich, weil ihre Aufgabe vernünftiger Weise auf Applikationsforschung mit der Industrie orientiert werden muss (Vattenfall, Rolls Royce, Mercedes, Raumfahrt etc.).

7. Pflegemaßnahmen

Benutzt man den Vergleich mit der Natur, dann weiß man, dass durch Stutzen von Bäumen und anderen Pflanzen dem Wildwuchs begegnet wird, am Ende aber ein kräftigeres Wachstum gewünscht ist. Sicher kann das auch in den Unternehmen der Hochschulen sinnvoll sein - aber nur unter dem Aspekt einer Stärkung der einzelnen Unternehmen.
Im Moment bescheinigt man den beiden Unternehmen FH und BTU zwar Erfolge, aber gleichzeitig gewisse Schwächephasen, was aber im Hinblick auf die oben genannten Zahlen kritisch zu hinterfragen bliebe. Sofern das aber stimmt gilt die alte Börsenweisheit: "Aus zwei kranken Unternehmen wird durch Fusion kein gesundes hervorgehen". Es kann also nur sinnvoll sein, beiden Unternehmen die Chance einer gründlichen Bestandsaufnahme und Zukunftsorientierung zu geben, vielleicht mit einer von außen gestützten Profilbereinigung (wieso zwei Baufakultäten am Standort Cottbus?).

8. Wissenschaftliche Begleitung der Profilschärfung der beiden Einrichtungen

Eine Initiative den Erneuerungsprozess zu unterstützen wäre: Man müsste unter der Leitung eines Moderators eine Gruppe von Professoren berufen, die sich dieser Aufgabe annimmt. Von der BTU kämen dafür die Professoren Schaller und Egbers in Frage. Zu überlegen wäre auch, den Gründungssenat unter Leitung von Prof. Spur einzubinden. Für den Moderator müsste man Prof. Hüttl, Direktor des Geoforschungszentrums Potsdam und Präsident von AKATECH (Akademie der Technischen Wissenschaften), dem Ministerium zur Bestätigung vorschlagen. Das könnte vielleicht zu einer Versachlichung der Debatte beitragen, aber auch Machbares aufzeigen.

9. Empfehlungen

Nach wie vor wäre es nötig, in diesem Prozess die Geburtsfehler der Gründungen beider Hochschulen zu bereinigen. Deshalb muss die Fakultät Bauingenieurwesen der FH voll unter das Dach der BTU integriert werden. Die Aufspaltung in Bachelor und Master-Studium macht das möglich.
Eine Technische Universität braucht strukturell unbedingt 4 Fakultäten, um den Anspruch auf die Bezeichnung auch inhaltlich darzustellen können. Die BTU Cottbus hat alle materiellen Voraussetzungen, um diesem Anspruch gerecht zu werden, vielleicht aber unter einer strafferen Führung.

 

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