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Fünf Stücke sind vier zuviel
„Familienbande“ verspektakelt stark berührendes Schauspiel - schade

Szenenfoto der „Kleinbürgerhochzeit“, die Bert Brecht als junger Mann mit erkennbarer Distanz zur etablierten Gesellschaft schrieb, der er immer gern selbst angehört hätte. Die Ambivalenz ist spürbar Fotos: M. Kross

Cottbus. Aus „Ermutigungen“ und „Spektakeln“ hat der Reihenzwang Aktionismus werden lassen. Die Idee, einige Stücke in eine Rahmengeschichte zu packen, hat sich, aus unterschiedlichen Gründen, aufgebraucht. Nun leiden die einzelnen Inszenierungen darunter.
Zum Beispiel Brechts „Kleinbürgerhochzeit“. Sie reduziert sich auf plakativ schöne Bilder, Gags und einige tänzerische Sequenzen. Biss und Doppelsinn des „listigen Augsburgers“, wie ihn Strittmatter trefflich nannte, finden sich nicht in der Abfolge harmloser Stuhlbrüche.
Dabei erleben wir schauspielerische Glanzleistungen, etwa vom Stichwortschwätzer Thomas Harms als Brautvater, vom schwebenden Oliver Breite, dem lüsternen Freund des Bräutigams, oder auch vom stillen Musiker Hans Petith, neben dem alle Tollheit des Möbelzerlegens noch skurriler wirkt, als sie sowieso ist. Mario Holetzeck hat diesen „Opener“ fürs Bandenspektakel inszeniert, die demontierbare Bühne entwarf Gundula Martin.
Die andere Seite der Klammer des Abends kommt wieder mit Brecht, den nun aus wippender Hüfte Kai Börner gibt. Lieder und Sprüche, frivol bis obszön und doch auch zärtlich - sie lassen hier bisweilen zu, was Brecht gar nicht mag: ergriffene Rührung. Herausragend die Songinterpretationen von Laura Maria Hänsel und der überragenden Sigrun Fischer. Gundula Martin hat ein düster-verrauchtes Nachtlokal geliefert, aus dessen Dunst die Akteure einzeln heraustreten. Mario Holetzeck hat das so arrangiert, Hans Petith bestimmt die Tonfarbe der Weill-Kompositionen.
Zwischen Brecht und Brecht wählen die Besucher aus drei Angeboten. Die meisten treffen sich wieder vor der Hauptbühne zu „Steinkes Rettung“ - einem Bukowski, für den sich der Weg wirklich gelohnt hat, zumal der aus den Meisterhänden von Regisseur Peter Kupke in atemnehmender Dichte abläuft. Fast ein neuer Rolf-Jürgen Gebert agiert hier komödiantisch genial als ausgebrannter Manager, der irgendwie noch seine starke Frau (Sigrun Fischer) und die ausgeflippte Tochter (endlich vollkommen uneitel Johanna Emil Fülle) samt ihrer Generation wahrnimmt. Krachledern kontrastiert zu den kommerzgeschädigten Bergtouris Michael Becker als Bayer mit Quirl unter der Zunge, während Oliver Seidel als extremer Carlo präzise das Maß dieses Konfliktes einhält. Hier erreicht das sanfte Wort Familie theatralische Wucht. J. Heinrich

Szenenfoto der „Kleinbürgerhochzeit“, die Bert Brecht als junger Mann mit erkennbarer Distanz zur etablierten Gesellschaft schrieb, der er immer gern selbst angehört hätte. Die Ambivalenz ist spürbar Fotos: M. Kross

Roland Schroll in Weill-Brecht „Songs


Roland Schroll in Weill-Brecht „Songs
über die Liebe“


Vermag sich die Familie zu retten?

Vermag sich die Familie zu retten?
Johanna E. Fülle, Oliver Seidel,
Rolf-Jürgen Gebert, Sigrun Fischer (v.l.)

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