Folgen: aus dem Hause Cottbuser General-Anzeiger Verlag GmbH

„Woyzeck und Marie“ frei nach Georg Büchner
Die Bühne voller Spiegel / Mario Holetzeck und Lothar Scharsich schufen
eigens ein Panoptikum

Cottbus. Mit dieser Inszenierung, die kurz vor Spielzeitende zur Premiere kam, leitet das Schauspiel über von der HEIMAT-Saison zu einem FAMILIEN-Jahr. Nirgendwo sonst scheint der Schauspieldirektor die tiefsten Abgründe der menschlichen Kreatur reiner zu finden, als eben hier in seiner kleinsten Zelle, der Familie. Die Weltliteratur gibt ihm tausendfach Recht, von der Boulewardpresse ganz zu schweigen.
Büchners Fragment enthält jene Magie, die Männer wie den feinsinnigen Regisseur Mario Holetzeck und den großen Gesellschaftslästerer und genialen Ausstatter Lothar Scharsich produktiv zusammenbringen. Ein neues, ein Holetzeck-Schasich-Stück entsteht, ein nur scheinbar harmloses Spiel im Zirkus, das „Woyzeck und Marie“ heißt. Was die beiden mit sich und dieser Welt in der Manege machen und was die Welt mit ihnen außerhalb tut, ist drastisch, farbenprächtig, laut und in Bildern erzählt, die über weite Stücke auch in Pantomime funktionieren. Drastische Charaktere treffen sich frontal, herausfordernd, spöttisch, verächtlich. Sie gehen so unsensibel miteinander um, als sähen wir uns im Spiegel.
Im Mittelpunkt steht Woyzeck, dem Oliver Seidel die tragik-komische Gestalt des Dummen August so anhängt, dass er als verlierender Sieger hervorgeht. Die Liebe zu seiner Ballerina-Marie (Ariadne Pabst), die er bewundert, bringt ihm keine Seligkeit. In diesem Stück haben Engel schwarze Krähenflügel.
Berndt Stichler ist der Zirkusdirektor, dem das „ganze System“ entgleitet, Gunnar Golkwski der eher foppende Zauberer, Michael Becker ein gockelhafter Dompteur. Johanna Emil Fülle schwillt im Schaumstoffdress zur Stärksten Frau der Welt. Woyzecks Sohn wird von Julian Böhm gegeben.
Frank und Dietrich Petzold schenken der Jahrmarktsszene musikalische Klänge. Keine Farbe fehlt dieser Inszenierung. Sie entlässt aber bedrückt.
Großes Theater, auf das wir neugierig bleiben können. J.H.

Was kann er noch tun, der Mann am Balken? Die Bilder stellen vor allem Fragen in Holetzecks „Woyzeck“-Fassung, ausgestattet von Lothar Scharsich. Oliver Seidel gibt den dummen August (oben, links liegend), Gunnar Golkowski ist der Zauberer M.K.

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