Folgen: aus dem Hause Cottbuser General-Anzeiger Verlag GmbH

Viel Alkohol und aufgewühlte Seelen
„Eugen Onegin“ am Staatstheater

Cottbus. In weiten Teilen bleibt die Geschichte unspektakulär, aber weil die Vorlage von Puschkin ist, wühlt sie tief in den Seelen. Und ohne russischen Wodka wäre sie nicht zu verstehen. So aber zeigt sie wirkliches Leben: leidenschaftliche Liebe, unmännliches Versagen, aufgestachelte Überreaktion, jammervolle Reue und ratlose Verzweiflung. Das alles mit der wunderbaren Musik von Peter Tschaikowski, die in weiten Bögen die Gedankenmonologe nachmalt und volksliedhaft frohlockt, um alsbald die Violinen weinen, die Bläser feuern und die Becken aufschrecken zu lassen. Musikalisch hat das GMD Evan Christ souverän in der Hand. Martin Schüler hat den Klassiker, der hier vor vier Jahrzehnten zuletzt zu sehen und zu hören gewesen sein soll, inszeniert, Gundula Martin übernahm die Ausstattung und Christian Möbius studierte den Chor ein. Ein grundsolides Heimspiel also, ohne Gäste, mit dem im vollen Haus ein treues Ringpublikum (die Premiere war schon Ende Januar) vollkommen glücklich war.
Das ganze Konzept läuft auf feinstes Zeichnen der Figuren hinaus. Dem dient eine gleichermaßen üppige wie stille Ausstattung. Kostüme und Bilder sind fast durchgehend weiß und in Grautönen gehalten, was bis hin zu den Birkenstämmen vorm Landhaus passt, die später dann im Petersburger Palast als Tapete wiederkehren. So kann das erregte Erröten des unschuldigen verliebten Mädchens zum feurigen Glutball wachsen, der sich zu Leidenschaft um Leben und Tod steigert, getragen eben von dieser genialen Klangdichtung.
Anna Sommerfelds Stärke offenbart sich im Gleichklang von strahlender Stimme und leuchtendem Blick ihrer Olga. Sie ringt eine Nacht hindurch um die Worte ihres Liebesbriefes, um sie in der Morgenröte beschwingt im Glück ganz locker hinzuwerfen. Schön, wie ihr die gute, alte Kinderfrau liebevolles Verständnis entgegenbringt. Das Publikum erlebt hocherfreut und anerkennend Marie-Luise Heinritz in ungetrübtem darstellischem Glanz.
Matthias Bleidorn gelingt es, in der Kürze der Schlüsselszene aus zartem Umhimmeln in rasende Eifersucht zu verfallen. Die Wandlung ist mitgetragen von dem Umfeld des Chores und einer schlüssigen, reichlich alkoholisiert inszenierten Feierszene. So kann die Forderung zum Duell durchaus nachvollziehbar geschehen. Andreas Jäpel in der Titelrolle bleibt hier noch introvertiert und zieht seinen Schuss ab wie beim Scheibenschießen. Die Kälte wird spürbar, erst recht dann nach der Pause die Verzweiflung in der Isolation. Jäpel, stimmlich nicht immer so frei, steigert sich in später Leidenschaft so vollständig ins Ausweglose, dass nun ganz am Ende das epische Dahinziehen doch noch zu Ergriffenheit führt. Nein, erschießen wird er sich nicht; die Pistole wirft er von sich, ratlos zurückbleibend. Es gibt riesigen Beifall.
J. Heinrich



Hier ist noch (fast) alles in Ordnung. Zwar liebt Geburtstagskind Tatjana (Anna Sommerfeld, Mitte) sichtbar unglücklich, aber Olga und ihr Dichter (Marlene Lichtenberg, Matthias Bleidorn) tanzen noch froh

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