Folgen: aus dem Hause Cottbuser General-Anzeiger Verlag GmbH

Frau, Mann oder was?
Putz-Regie entschärft Kleists „Amphitryon“

Cottbus. Mit Kleist gelingt uns nicht allzuviel hier in Cottbus. Das Haus seiner Mutter (Heimat!!!) zu Gulben liegt in Schutt und wird „zu Ehren“ des 200. Todestages des Dichters (21. 11.) fortgeräumt sein. Das Lustspiel, zum Dichtergedenken am Staatstheater inszeniert, gerät zum Langweiler, weil allzu umständlich interpretiert und teilweise schwach besetzt. Regie hat Ingo Putz, den das Publikum von „Dantons Tod“ interessant in Erinnerung hatte. Premiere war schon Mitte Februar. Heute, nächsten Sonntag und dann am 25. März steht das Stück wieder im Spielplan.
Kleists Doppelgänger-Spiel - übrigens sein erstes unter eigenem Namen veröffentlichtes Drama (1806) - lotet die Frage aus, ob Gefühle über Sinne dominieren oder umgekehrt. So ist es weniger Gaudi, wie Moliers Vorbild-Stück, sondern ein mit deftiger Folklore garnierter Spiegel der „feinen Gesellschaft“. Das Ungeheuerliche, dass Jupiter liebestoll in Merkurs Begleitung als Feldherr nebst Diener in irdische Schlafzimmer hinabsteigt, scheint der Cottbuser Fassung nicht ausreichend. Hier muss, um alle Identitätszweifel einzuraffen, Jupiter auch noch von einer Frau dargestellt werden. Johann-Julia Spitzer irrt rätselhaft abwesend in Feldherrentraurigkeit über die Erde, die hier noch eine Scheibe (gut funktionierende Spielebenen in der Ausstattung von Mirjam Becker) ist. Er/sie trifft mit Johanna Emil Fülle auf eine Alkmene, die ihr ganzes Ego in gefälliges Hüftschwenken wirft, sonst aber so blass bleibt, dass niemand versteht, weshalb ein echter und ein noch echterer Feldherr um dieses Wesen streiten. Thomas Harms bleibt als wahrer Amphitryon lammfromm. Wie auch sonst - sollte er die Jupiterin überspielen?
So vergnügt, was Kleist zwecks Unterhaltung deftig malte: das schlichte Gemüt. Mit Berndt Stichler (Merkur) und Roland Schroll (Sosias) schlagen sich zwei treffliche Diener, und Sigrun Fischer wäre nicht die Fischer, wenn sie nicht als Frau des Sosias ihre Szenen souverän dominierte. Wenigstens das.
Und die Musik von Susann Paul, deren Gitarre die szenische Wetterlage göttlich modelliert, rettet diesen Kleist-Abend.
Sehen sollte man ihn. J.H.


Szenenfoto aus „Amphitryon“ mit (v.l.n.r.): Sigrun Fischer (Charis), Johanna Emil Fülle (Alkmene) und Johanna-Julia Spitzer (Jupiter)
Foto: Marlies Kross

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