aus dem Hause Cottbuser General-Anzeiger Verlag GmbH

Endlich großes Musical
Anmerkungen zu „Jekyll & Hyde“ in Regie von M. Schüler in Brachmann/Forberger-Besetzung

Cottbus. Die erfolgreiche Premiere liegt einige Wochen zurück. Jetzt stand ein Ringabend mit Hardy Brachmann und Gesine Forberger in den Hauptrollen (Premiere: Heiko Walter / Cornelia Zink) im Plan. Überwiegend junges Publikum füllte das Haus bis in den 2. Rang und - war begeistert. Unglaublicher Jubel am Ende für Darsteller und den musikalischen Leiter Marc Niemann. Wohlverdient und hoch erfreulich. Endlich wieder ein großes Musical am Schillerplatz mit Gruselstory und leidenschaftlicher Musik, glänzend inszeniert von Intendant Martin Schüler, der vermutlich Riesenspaß hatte, diese ebenso skurrilen wie ergreifenden Bilder zu zeichnen.
Die unglaubliche Geschichte reduziert sich auf einen Fakt: Ein besessener Wissenschaftler will das Gut und Böse, das in jedem Menschen angelegt ist, trennen in zwei Körper. Er tut es per Zaubertrunk, genießt dann aber nicht das reine Gute, sondern wird Opfer des entfesselten Bösen. Acht Morde und Selbstmorde erschüttern Straßenvolk, die feine Gesellschaft und selbst die Unterwelt. Stoff genug für 28 (!) Verfilmungen seit 1912 (darunter „Arzt und Dämon“ 1941 mit Spancer Tracy und Ingrid Bergmann) und noch 2007 eine BCC-Fernsehserie.
Zum Musical wurde der gespaltene Mann nach viktorianischer Schauernovelle des Schotten Robert L. Stevensen (1850 bis 94, „Die Schatzinsel“) erst 1990 mit Liedern von Leslie Bricusse und Musik von Frank Wildhorn. Er kam sieben Jahre später gereift und bejubelt an den Broadway und schließlich ab 2001 über Bremen, Wien und Köln auch nach Cottbus.
Mittel des Filmes, wie stimmungsführende Musik oder
verfremdete Stimmen, und effektvolle Bühneninstrumente (dampfendes, blitzendes Labor, schwarzer Zwischenvorhang) schaffen Spannung, reizvolle Kostüme (herrliches Chorvolk!) bringen Londoner Authentizität (Bühne Gundula Martin, Kostüme Nicole Lorenz). Es gibt keine Scheu, viel Schmelz in die Emotionen zu gießen, wenn sich schmalzige Duette „Nimm mich wie ich bin“ oder „Da war einst ein Traum“ sinnlich dahinziehen. „Ich muss verstehen“ erklärt sich mit geradezu faustischer Vehemenz der Hexenküchler, und da ist das Publikum längst hineingezogen in die Mystik der Seelenwanderung.
Hardy Brachmann meistert seine Verzweiflungskämpfe zwischen Jekyll und Hyde mit heftiger Körperspannung und großartiger Stimmkraft atemberaubend, was dann leider nur schüchternes Restbegehren in der schönen, zärtlichen Liebe zur Prostituierten Lucy Harris zulässt. Die wird nahegehend redlich von Camilla Kallfaß gegeben, einer glücklichen Cottbuser Neuentdeckung mit beachtlichem stimmlichen und tänzerischen Potential.
Als Verlobte des Forschers ist die Rolle der Lisa mit der zur Operndiwa neigenden Gesine Forberger grenzwertig besetzt. Die große Stimme hebt sich geradezu mütterlich über das sonst kribbelnde Beziehungsdrama.
Andreas Jäpel singt quasi den Faden der Vernunft durchs verworrene Geschehen und macht das dominierend. Starke Kurzcharaktere treten mit der Krankenhausgesellschaft auf die Bühne. Einen ganz hervorragenden Part bestreitet der Chor, der brillant einstudiert ist (Christian Möbius) und Reaktionen der Masse, wechselnd von Angst zu Empörung, Entsetzen und Panik, präzise artikulieren kann. Fesselnd!
Glückwunsch dem ganzen Ensemble. Viele Vorhänge je Aufführung sind sicher. Schön, dass die Sparkasse Spree-Neiße das Projekt unterstützt. J. Heinrich

Das Böse und das Verrufene - Hochspannung zwischen nackter Lust und wahrer Liebe, zwischen Hoffen und Sterben. Schlüsselszene mit Hardy Brachmann und Camilla Kallfaß

Das Böse und das Verrufene - Hochspannung zwischen nackter Lust und wahrer Liebe, zwischen Hoffen und Sterben. Schlüsselszene mit Hardy Brachmann und Camilla Kallfaß
Foto: Marlies Kross

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