aus dem Hause Cottbuser General-Anzeiger Verlag GmbH

Lumpiger Pückler
Anmerkungen zu „Fürst Pücklers Utopia“ von Christoph Klimke
in Regie von Johannes Kresnik

Cottbus. Verständnisvolle Lacher waren an seiner Seite, als Theater-Geschäftsführer Serge Mund im Festakt zum Pückler Geburtstag ermutigte: „Kommen Sie ins Theater. Es ist die angenehmste Art, Ihr Steuergeld wiederzusehen.“
Das Lachen verging einem Teil des Publikums bald. Am Ende einer utopisch teuren Inszenierung erschien dieses „Wiedersehen“ höchst unerfreulich, wenn nicht gar skandalös.
Zwei Stunden lang stürzte ein zerlumpter, geistesabwesender Fürst über das Bühnen-Schlachtfeld und durch seine vollkommen zerrüttete Biografie. Autor Johann Klimke hatte sich der Mühe, Pückler selbst zu studieren, offenbar nicht unterworfen und sich an den „Tagesspiegel“-Feuilletonisten Heinz Ohff („Der Grüner Fürst“, 1982) gehalten. Das führte zur flachen Turbulenz von Zitaten und willkürlichen Interpretationen, die das gewiss spannend-unkonventionelle Leben des Lausitzer Weltreisenden als Affentheater (im wörtlichen Sinne, mit Äffchen auf der Schulter des Hauptdarstellers) diffamieren. Da Klimke keine Idee vorgibt, kann sich Johann Kressnik weidlich als Adelshasser und Spötter auslassen. Mit dem reichlichen Etat, den ihm Serge Mund als Inspirator dieses am Ende peinlichen Projektes zubilligt, kauft er alles, was sich willig auszieht, Hörner aufsetzt oder eben anderweitig zum Affen machen lässt ein und organisiert den unglaublichsten Klaumauk, der je über diesen Musentempel kam. Dass muslimische Gäste, die gekommen waren, Pücklers Andenken zu ehren, nicht schon im ersten Bild aus der Loge stürmten, ist ein Wunder orientalischen Anstandes. Während im Hintergrund düster der Chor der Gefangenen singt, entledigen sich vorn zwei Stripperinnen, eine davon hochschwanger, ihrer letzten Fummel.
„Abendländische Leitkultur“ verliert sich dann in peinlichen Dorftrottel-Szenen in Form von Ballettritten auf Milchkannen oder Inzest-nahen Wüstlings-Gebärden bis hin zur Eistorte mitten im Gesicht.
Nichts Abgedroschenes bleibt ausgelassen, und der einfache Trick, Bilder durch ihr Gegenteil sprechen zu lassen, wird zuletzt langweilig wie der zerlumpte Fürst, von dem man weiß, dass er gerade in Äußerlichkeiten peinlich war.
Roland Renner fühlt sich weit hinein in diese Figur, lässt sie tänzelnd gaukeln, und findet zu klugen Worten oft heftige, nachdrückliche Gesten. Allein: Das Textbuch versagt der Geschichte den Fluss. Deklamierte Zitate lassen den Zuschauer, der nicht wenigstens Ohff gelesen hat, auf der Strecke, und mit der Vielzahl historischer Figuren, die durchs Stück hetzen und von denen jeweils mehrere vom gleichen Schauspieler gegeben werden, bleibt der Mensch überfordert. Dort, wo zum Durchatmen eine Pause hätte sein müssen, gibt der Betrachter spätestens auf und wundert sich über den Rest, vor allem über die Schlussszene, vor der Grafiker Andreas Klose schon auf dem Programmtitel warnt: Von Pückler, Schöpfer von UNESCO-Erbe und weltweit geachteter Literat, bleibt nichts als Müll.
In kleinen Rollen brillieren für Momente Hanna Petkoff als Pücklers Mutter und Henriette Sontag (plus 3 Rollen), Sigrun Fischer als Luci, Bettina Arnim und Wilhelmine Reichard (+2) und Jan Hasenfuß als Goethe, Napoleon und Transvestit (+5). Bernd Stichler mimt einen leutseligen ägyptischen Vizekönig und zuvor ironischen Pückler-Vater (+2), während Marlen Ulonska sich als Görlitzer Konditorin vernaschen lassen muss (+4). Die farbige Berlinerin Eileen Osei kann die Klugheit dieser nubischen Schönen überzeugend vermitteln. Sopranistin Sarah Behrendt (nackt), Tenor Jens Klaus Wilde (bekleidet) und Akkordeonspieler Bodo Henning kommentieren das Geschehen angenehm musikalisch. Die schrägen Töne der Steyer Saxophon Damen zählten ebenfalls zu den gelungenen Details. Kompliment auch mutig-geduldiger Statisterie.
Der Abend vergisst sich, das Steuer-Defizit bleibt. J.Hnr.

Niemals scheint dieser Klimke-Kresnik-Pückler (Roland Renner) Herr seiner Sinne, schon gar nicht in den Armen der schönen Sängerin (Sarah Behrendt), die ihre Nacktheit spärlich mit einer Python verhüllt

Niemals scheint dieser Klimke-Kresnik-Pückler (Roland Renner) Herr seiner Sinne, schon gar nicht in den Armen der schönen Sängerin (Sarah Behrendt), die ihre Nacktheit spärlich mit einer Python verhüllt

Klimkes Pückler überlebt das gespenstische Begräbnis in der Pyramide und knattert mit Karl Marx als Chauffeur und bunter Truppe durch die jüngste Vergangenheit, die ins vollkommene Chaos führt: Seine Bäume stürzen und werden unterm Wohlstandsmüll vergraben. Szene mit Jan Hasenfuß (Sancho Panza), Berndt Stichler (Don Quijote), Sigrun Fischer (Dulcinea), Roland Renner (Fürst Pückler) und Statist Ralf Bartsch als Karl Marx                           Fotos: Marlies Kross

Klimkes Pückler überlebt das gespenstische Begräbnis in der Pyramide und knattert mit Karl Marx als Chauffeur und bunter Truppe durch die jüngste Vergangenheit, die ins vollkommene Chaos führt: Seine Bäume stürzen und werden unterm Wohlstandsmüll vergraben. Szene mit Jan Hasenfuß (Sancho Panza), Berndt Stichler (Don Quijote), Sigrun Fischer (Dulcinea), Roland Renner (Fürst Pückler) und Statist Ralf Bartsch als Karl Marx Fotos: Marlies Kross

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