aus dem Hause Cottbuser General-Anzeiger Verlag GmbH

Cottbus übt Hochwasser
Stauwerke bieten verlässlichen Schutz / Mängel an Maiberger Deichen /
Falsche Brückendämme

Cottbus (h). Eine Zeitungsente allein war das nicht, die die Menschen letzten Sonntag scharenweise an die Spree gelockt hatte. Mehr eine aus dem Rathaus, von den Medien freudig gefüttert.
Denn „Hochwasser“ gab es nicht wirklich. Die Spree führte gut Wasser. Hätte es in den sächsischen Staustufen Pannen gegeben, wäre auch auf Cottbus eine Flut gekommen. Das, so Wolfgang Genehr, Regionalleiter Süd des Landesumweltamtes, passierte aber nicht; im Gegenteil, große Wassermengen konnten in Tagebaurestlöcher abgeleitet werden. So entschärfte sich schon Mitte der Vorwoche die Situation. Das Amt sprach für Cottbus von Warnstufe 1; schlimmstenfalls bei Dauerregen Stufe 2. „Dass die Stadtverwaltung mehr tat als erforderlich, kritisieren wir nicht“, korrigiert Genehr einen Eindruck, den seiner Meinung nach diese Zeitung erweckt habe. „Für Ballungsräume bestehen besondere Anforderungen, zumal hier seit 30 Jahren keine Hochwassererfahrung vorliegt.“ Er billigt zu: „Kann sein, dass nach Duisburg in Ämtern auch übervorsichtig gehandelt wird.“
Zugeschweißt
Über-Vorsicht spielte im Szenario tatsächlich eine Rolle. Als schon nahendes Hochwasser im Gespräch war, floss in Cottbus die Spree noch als dünnes Rinnsal. Der Grund: Technologen trauten der eisernen Sicherheitsklappe am Bräsinchener Stauwerk nicht und hatten sie für die Zeit der Bauarbeiten mit meterlangen Schweißnähten (!) arretiert. Das war nur mühsam zu korrigieren. Erst dann konnten angemessene Mengen Wasser aus dem rasch schwellenden Stausee in Richtung Cottbus abgelassen werden. Die erfreulichste Nachricht der Cottbuser Hochwasserübung: „Die Talsperre steht, sie wird ihrer Funktion voll gerecht“, sagt Wolgang Genehr nach den feuchten Tagen.
Dämme „qualmen“
Nicht ganz so befriedigend fallen Beurteilungen der Deiche aus. Davon wissen Dietmar Paulick und die anderen 25 Pächter der Parzellen der Gartenanlage „Maiberger Heide“ zu klagen. Ihre Parzellen stehen vollkommen unter Wasser, Keller sind vollgelaufen. „Envia hat aus Sicherheitsgründen den Strom abgestellt“, erklärte er letzten Sonnabend am Tor der gefluteten Anlage.

Jenseits der Straße liegt der Deich. Von dort, so scheint es, kommt die Überflutung. Letzten Freitagabend rückten mehrere Lkw an. „Sie sperrten alles ab, ließen uns nicht zu unseren Höfen, verteilten Säcke und zogen ab“, schildert ein Anwohner.
In der Tat bewirken Sandsäcke hier - wie an den meisten Stellen, wo sie in Cottbus zu finden waren - nichts.
Ingolf Arnold (Foto rechts), Chefgeologe und Wasserspezialist beim Bergbauunternehmen Vattenfall, inspizierte Deiche und Dämme letzten Sonntag. „Der Deich qualmt, sagen wir in der Fachsprache, das heißt, durch den Druck von der Flussseite werden Luft und Feuchtigkeit im Damm zusammengepresst und treten auf der anderen Seite sprudelnd aus.“ Das sei normal. Das ablaufende Wasser sollte ein „Schweißgraben“ auffangen, der hier fehlt. Statt dessen nähert sich die Asphaltstraße dem Deich. „Der kann nicht richtig funktionieren, weil er falsch gebaut ist“, erklärt der Experte.
Ein Deich müsse zum Fluß hin steil sein, zum Land zu aber flach auslaufen. Hier wurde unter dem Druck, jeden landwirtschaftlichen Quadratmeter nutzen zu wollen, zu eng gebaut. Und er weist auf einen weiteren Fehler hin: „Wir haben hier auch den Rückstau vom Dissener Brückendamm.“ Die zu den Brücken führenden Wälle seien überall an der Spree falsch geplant. „Sie müssen Durchlässe haben, einfach große Betonröhren, damit bei gutem Pegel keine Staus, wie jetzt hier bei Maiberg, entstehen.“
Auch im Cottbuser Süden fanden Fachleute bei hohem Wasserstand Mängel, die nun zu korrigieren sind. Die Fast-Flut wird zum Gewinn für Cottbus.
Gesunde Natur
Im Übrigen gerät solch eine Landschaftsinspektion nach der Spree-Renaturierung zum Hochgenuss. Wo der Fluss im schnurgeraden Bett ungehindert Richtung Spreewald schoss, lässt er sich nun sechs Stunden mehr Zeit von Cottbus bis zur Schmogrower Schleuse. Traumhafte weite Feuchtlandschaft ist Heimat für großen Artenreichtum. Nie vorher erscholl ein so vielstimmiges Konzert der Rotbauchunken in der Lausitz wie jetzt nach der Umsiedlung von Lacoma nach hier. Gemächlich grasen Tarpane, Auerochsen und Wasserbüffel im Reedland. Hochwasser fürchten sie alle nicht.
„Wenn die Spree in ihrem Bett bleibt, dann sowieso nicht“, sagt Martin Szonn. Der lebt seit 88 Jahren hier in den Wiesen.






Trocken und sicher: Auch bei Hochwasserstufe 4 würde die Gaststätte „Spreewehrmühle“ trockene Füße behalten. Die Altvorderen haben das Haus sicher und hoch genug gegründet. Dekorativ sieht der Sandsackwall aus

 

 



Abgesoffen: Die „Maiberger Heide“ ist überflutet. Vereinsvorsitzender Paulick: „Wir sind hier seit 21 Jahren. Sowas gab’s noch nie“

Sie profitieren vom ordentlichen Wasserstand der Spree: die Tarpane (o.) auf den Wildtierkoppeln bei Dissen und erst recht die Rotbauchunken, deren dumpfes Röhren weit über die neue Landschaft hallt

Nutzlose Sandsäcke in Maiberg. Einige Spatenstiche zum alten „Schweißgraben“ am Deichfuß, der 50 Meter weiter noch funktioniert, hätten gereicht. Am in den 80er-Jahren erhöhten Deich wird an dieser Stelle Nacharbeit nötig sein. Auf der Straßenseite links liegen überflutete Gärten

Schöner Spree-Wasserstand bei Döbbrick. Bei 2,40 Metern erwacht im Biotop echtes Flußleben

 

 

 

 

 

„Die Spree ist ja in ihrem Bett! Das ist doch kein Hochwasser.“ Martin Szonn aus Döbbrick wird im Herbst 89. Er kennt hier bis Maiberg und Skadow jede Kaupe. 1941 sei die Spree mal auf der anderen Seite von Maiberg durch den Deich gebrochen, aber sonst noch nie. Letzten Sonnabend radelte er durch die Auen und lachte herzlich über die Sandsäcke

 

 

 

 

 

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