aus dem Hause Cottbuser General-Anzeiger Verlag GmbH

„...habe das Beste für den Landkreis gemacht“
Nach 20 Jahren agiler Dickköpfigkeit zum Gemeinwohl stößt Dieter Friese an die Mauern von einst

Region. Wenn Leute Dieter Frieses Führungsstil kritisieren, seine Entscheidungen bemäkeln oder sich fragen, warum die Klageführenden nicht grundsätzlich zufrieden aus seiner „Kummerstunde“ gehen, könnte heute noch dieser Satz kommen: Ich habe das Beste für den Landkreis gemacht.
Das hat er wohl. Auch dann, wenn es für ihn und andere unbequem war. Er hat immer selbstlos den Maßstab Gemeinwohl angelegt. Solche Leute waren vor 20 Jahren, als die Demokratie erkämpft werden musste, nötig. Die Wende kam friedlich - aber ohne Männer wie Friese auf den Barrikaden hätte sie sich womöglich in Geschwätzigkeit verloren.
„Waldfrieden“ gestört
Nach seinem kühnsten Handsteich gab er 1990 schon dem SPIEGEL zu Protokoll: „Ich habe das Beste für den Landkreis gemacht.“ In der Ausgabe 1/1991 erschien Bernaus Landrat Dieter Friese als großes Thema im Hamburger Nachrichtenmagazin. Dieses „Beste“ war, die Bonzensiedlung Wandlitz mit 320 Hektar Fläche samt Gebäudebestand bei Nacht und Nebel kostenfrei in kommunales Eigentum verwandelt zu haben.
Nach Modrows Räumungsbeschluss vom 14.12.89 glaubten dort längst Genossen aus DDR-Ministerien, darunter der Ex-Cottbuser Gesundheits-Vizeminister Dr. Edgar Harig, ihre satte Versorgung gesichert. Sie sahen mit einem Reha-Zentrum „Waldfrieden“ für krebskranke Kinder und Herz-Kreislauf-Patienten guten Zeiten entgegen. Friese ließ alle Träume platzen, brachte das laut SPIEGEL damals 150 Millionen D-Mark schwere Anwesen in Bernaus Eigentum, gründete eine Art Holding GmbH, in der er selbst Geschäftsführer wurde und gab die Waldsiedlung in Erbpacht.
Das SED- und dann PDS-Zentralorgan „Neues Deutschland“ tobte. Manch Linker wird noch heute weiß vor Wut beim Gedanken an entgangene Pfründe. Friese aber zog seines Weges und bewarb sich um das Chef-amt im eben aus Cottbus-Land, Guben, Forst und Spremberg fusionierten großen Flächenkreis Spree-Neiße.
Wollte SED verbieten
Der Kummer zurückgelassener Genossen kratzte ihn in keiner Weise. Er hatte schon vorm Mauerfall einen Offenen Brief an die Betriebswandzeitung geheftet und das Verbot der SED gefordert. Vielleicht war’s ein Streich, längst vergessen.
Aber in diesen Tagen hat der Alt-Landrat seine viele freie Zeit genutzt und sich seine Stasi-Unterlagen kommen lassen. Da liegt eine Menge Papier auf dem Tisch in Teichland, wo der Landrat sich schon in den 90ern niederließ. Der Brandbrief war nicht seine einzige „Untat“. Verdächtige Autobahn-Fotos und anderes hätten ihm im DDR-Staat massiven Ärger gebracht. Bautzen oder der Knast in Cottbus waren bedrohlich nahe.
Friese ist einer, der Motivation daraus schöpft, dass solcher Spuk vorbei ist. Sein Maß an Toleranz endet, wo damalige Verantwortlichkeit bagatellisiert wird. Dass ein führender SED-Funktionär jener Zeit heute Landrat werden könnte, übersteigt sein demokratisches Vorstellungsvermögen
Nach links gedriftet
Im Tagesgeschäft hatte Friese in all den Jahren kein Problem mit Parteigängern der Linken. Sein Herz schlägt links - sozialdemokratisch links. Viele Mitglieder der Partei Die Linke legen sich für die Region und ihre Menschen ordentlich ins Zeug, weiß er. Allerdings: Die überraschende Potsdamer Links-Links-Koalition mit all den Personal-Querelen irritiert.
Als ihm schließlich ein Linkskandidat mit Ost-Funktionärs-Vita als Landrats-Kandidat gegenüber gestellt ward, verstand Landrat Dieter Friese 20 Jahre nach seiner Vereinigungseuphorie die Welt fast nicht mehr. Er trat mit seinen Bedenken an die Öffentlichkeit. Die Folge: Nun will ihn die Linke auf keinen Fall mehr als Landrat.
SPD-Unterbezirksvorsitzender Dietmar Woidke sagt: „Wir haben, wie in Potsdam, in Spree-Neiße mit den Kollegen von der Linken weitgehende Übereinstimmung, aber in dieser Personalie leider nicht...“
Ausgang noch offen
Das „Umschwenken“ auf den Kandidat aus Kolkwitz könnte an einem Formfehler scheitern: Als im Kreistag die Ausschreibung des Landratsamtes beschlossen wurde, hatte Vorsitzender Dr. Michael Haidan ordnungsgemäß Abgeordnete, die sich als Landrat bewerben wollen, zum Verlassen der Sitzung aufgefordert. Sie durften nicht mitstimmen. Friese ging auf die Ränge, Kreistagsabgeordneter Petzold blieb sitzen und stimmte ab. Das schließt formal seine Kandidatur aus.
Sieht Spree-Neiße, wie schon bei früheren Attacken gegen den produktiven Sturkopf Friese, einer langen Verwaltungskrise entgegen? In so schwierigen Zeiten, vor allem im Bereich der sozialen Absicherung, wäre das ein zu harter Denkzettel für die wahlmüden Bürger.
Mit Dieter Friese verliert der Kreis den Präsidenten der Euro-Region, den Vorsitz des Tourismusverbandes Spreewald und die Vizepräsidentschaft der Arbeitsgemeinschaft Europäischer Grenzregionen.
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Friese als Pensionär? Den Weg vom Bahnbrecher der Wende zu heutigem Frust will er am 21. April einer Tagung von Mandatsträgern in Weimar schildern, zu der Thomas de Maizière eingeladen hat. Nicht ohne Wehmut. Gewiss nicht.

Dieter Friese 1994 als SPN-LandratDieter Friese (SPD), von 1994 bis 2009 Landrat im Spree-Neiße-Kreis, vorher Landrat im Landkreis Bernau, ist zur Zeit arbeitslos. Nach zwei Wahlen, die er beide gewann, die aber wegen zu geringer Beteiligung ungültig blieben, muss der Kreistag, wie früher schon üblich, nach Ausschreibung unter Bewerbern einen Verwaltungschef finden. Friese ist dabei einer von derzeit 20 Kandidaten. Seine Fraktion mag ihn nach jüngsten Informationen nicht unterstützen. Einer der Gründe - die Linke will „jeden, aber nicht Friese“. Ohne ihre elf Stimmen kommt keine Mehrheit zustande. Die Spree-Neiße-SPD favorisiert nun den Kolkwitzer Grundschullehrer Andreas Petzold. Der hatte bei seiner Bürgermeisterkandidatur die Linken hinter sich, wenn auch ohne Erfolg.
„Die Linken entscheiden heute, was die SPD tut“, murrt Friese. Dass dies gegen ihn läuft, liegt am ostdeutschen Wende-Zeitgeist...

 

„Hätte Dieter mich darum gebeten, hätte ich vermutlich als Landrat kandidiert, aber niemals gegen ihn“, sagt der Forster Dietmar Woidke, jetzt Fraktionsvorsitzender der SPD im Landtag, damals noch Minister in Platzecks Kabinett. Er schätzt Friese als integren Verwaltungsfachmann, auch als Freund. Aber er kennt auch dessen Charakter: Niemals Rückzug, lieber mit wehenden Fahnen untergehen. Ein Ehrenmann alter Schule

 

Wenn es der Wirtschaft im Kreis dienlich war, ging Friese auch schon mal baden, wie beim Anzapfen der Tiefenbohrung für die Burger Therme. Sie hat den Spreewaldort voran gebracht
Fotos: CGA

 


Schicksalsbrücke: Ehe Friese sich 1993 als Landrat bewarb, sah er sich Forst an und betrachtete nachdenklich diese zerstörte Brücke vom deutschen Forst in den heute polnischen, nahezu restlos ausgetilgten Stadtteil Berge. Später formulierte er seine Vision: Wenn ich einmal mein Landratsamt abgebe, sollen wieder Menschen über diese Brücke gehen können. Ob das noch gelingen kann...? Foto: CGA-Archiv / Hnr.

 

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