aus dem Hause Cottbuser General-Anzeiger Verlag GmbH

Glücklich ist, wer vergisst ...
Anmerkungen zur „Fledermaus“ von Johann Strauß in Cottbus

Cottbus (MB). Natürlich hat das ganze eine Moral: Nichts wird vergessen; deshalb mangelt´s in der Welt an Glück. „Glücklich ist, wer vergisst...“ ist nicht nur einer der vielen Ohrwürmer dieser genialen Operette, sondern auch die Botschaft. Unglaublich, dieser schreckliche Falk! Noch nach drei Jahren inszeniert er ein Riesending und wirft mit vollen Händen Geld um sich, nur um Genugtuung für eine vergleichsweise kleine Blamage zu bekommen, die er auch noch selbst verschuldet hat. Glücklich ist der Schleimer mit seinem „Brüderlein, Brüderlein und Schwesterlein...“ auch am Ende nicht. Da schnulzt es so richtig auf der Bühne, die breiten Besen kehren den Mief vom Boden und machen dem Ballett den Raum frei. Das macht die Szene frisch, und wie! Sie schweben, wirbeln und biegen sich, die vier Paare, dass sich frühlingsstimmig die Herzen weiten. Dieses Ballett bleibt über das zweite Bild hinaus ein Höhepunkt der Inszenierung.
Sie gelingt auch sonst als großer Wurf, diese Operette vom Sohn Johann Strauß (1825-1899), der auch als Walzerkönig bekannt wurde. Obgleich: Steffen Piontek (Regie) und Even Christ (Musikalische Leitung) hatten zu sehr den Zug der Fröhlichen Leute und die Superlative des Umfangs im Kopf. Mindestens eines der drei Bilder muss gerafft sein. Üblicherweise steht die Pause vor dem Gefängnis; hier erfolgt sie wegen des einstündigen Vorprogrammes schon nach dem 1. Bild. Alles in allem dann vier volle Stunden Fledermaus und fideler Knast - das ist auch im Karneval zu viel. Immerhin: Even Christ hat´s mit der Ouvertüre nicht übertrieben und ging das Walzern mit hohem Tempo und feinen romantischen Nuancen an. Dann begegnen uns im Spiel geradezu aufgedrehte Typen mit wahnsinnig schönen Stimmen. Eine köstliche Überraschung ist die junge ungarische lyrische Sopranistin Csilla Csövári als Adele. Wie die jauchzen kann und das widerliche „Kammerjuhungfer“ durch die Tonleiter schleppt, das macht Spass.
Gut zu Fuß mit wild schlenkernden Beinen ist auch wieder Jens Klaus Wilde, diesmal nicht nur stimmlich tonangebend, sondern auch ein überzeugendes Wodka-Opfer. Er, Eisenstein, ist Ziel der Fledermaus-Rache des Dr. Falke, stark gestaltet von Andreas Jäpel. Was sich in einer nicht eben einfallsreichen Diele (Bühne Mike Hahne) anbahnt, kommt im Pferdestall, auch an unsere Theaterscheune erinnernd, in Fahrt. Während Galan Alfred, in einer leicht tolpatschigen Manier von Hardy Brachmann gesungen und auch schön gespielt, ins Gefängnis geht, treiben sich die übrigen Täuscher auf dem fingierten Orlofsky-Ball rum. Den russischen Prinz gibt Carola Fischer bewusst phlegmatisch mit schönen Gesangsnummern. Etwas gehemmt wirkt Cecile de Boever als Rosalinde; dem Temperament ihres Zimmermädchens kann sie nicht entsprechen.
Das Gefängnis ist ein in der Fledermaus nicht unbedingt für die Handlung notwendiger Ort, aber ein schöner Platz für einstige Autoren, heutige Regisseure und immer wieder auch Darsteller, ihren Affen Zucker zu geben. Gag auf Gag spielen sich zwischen dem Knastdirektor (Volker Maria Rabe) und seinem Faktotum Frosch ab. Der Gefängnisdiener verselbständigt sich meist: bei Moser im Film, bei Stumpe aktuell in der Semperoper und ein wenig auch bei Heiko Walter, der dieses Büro mit hakenloser Hutwand und tatsächlich verwechselbaren Türen so dienstfertig ausfüllt, dass jeder meint, all seine Missgeschicke passieren ihm spontan.
Mit den übrigen Darstellern hat vor allem auch der Chor wunderschöne Stimmung im Mittelteil geschaffen und sich, wie auch Musiker und nochmal Heiko Walter als schmalziger Weingartensänger, im Pausenprogramm ins Zeug gelegt. Der große personelle Aufwand, der aus dem Theater ein fideles Gefängnis macht, lohnt sich. Nebenbei lässt sich ein wenig Fallada improvisieren: „Wer einmal aus dem Blechnapf frisst.“
Noch sieben „Fledermaus“-Abende gibt es bis nächsten Sonntag: Heute sowie Di, Mi, Fr und Sa 19.30 Uhr, Vorprogramm 18.30 Uhr, morgen 16/15 Uhr, nächsten Sonntag (am Valentinstag) 19/18 Uhr.
J. Heinrich



Ensemble mit Andreas Jäpel als Dr. Falke Fotos: M. Kross











Szenenfoto mit Jens Klaus Wilde als Eisenstein, Csilla Csövári als Adele sowie Damen und Herren des Opernchores des Cottbuser Staatstheaters

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