aus dem Hause Cottbuser General-Anzeiger Verlag GmbH

Ammen unter Hauben
Martina Noack erforschte für das Wendische Museum Karrieren im wilhelminischen Berlin

Cottbus (h). Dann und wann begegnen sie uns in der Literatur, in der Bildenden Kunst oder auch in Filmen - die Spreewaldammen in Berlin. Mit ihren Festtagstrachten leisteten sie geachtete Alltagsarbeit und waren in der wilhelminischen Zeit in preußischen Groß- und Mittelstädten - auch in Cottbus - Statussymbol ihrer wohlhabenden Arbeitgeber. Zu hunderten sollen sie vor allem nach Berlin gegangen sein, die Mädchen und jungverheirateten Frauen, deren Dienste begehrt waren, weil man sie für „einen Born der Lebenskraft“ hielt und sie als fleißig, treu, rechtschaffen, ehrlich und gehorsam galten.
Nicht alle Spreewaldammen kamen aus der Lausitz, berichtet Martina Noack in ihrem spannenden Buch; ein aus Südwestafrika zurückgekehrter Kolonialbeamter hatte seine schwarze Amme mitgebracht und steckte sie in wendische Tracht. Im Tiergarten beim Kinderausfahren erregte sich noch größeres Aufsehen, als die schmucken Spreewälderinnen ohnehin schon.
Die Mitarbeiterin des Wendischen Museums hat ein Kapitel gründlich erforscht, über das bislang wenig oder hinter vorgehaltener Hand gesprochen wurde. Wenn die Ammenarbeit auch gehobener Gesindedienst war, so blieb sie doch Gesindearbeit. Seit der Frauenemanzipation pflegt sich niemand gern damit zu brüsten. Schon 1750 kam in vornehmen Haushalten die Amme in Mode; seit 1850, als viele Spreewälder in Not auswanderten, suchten junge Frauen zunehmend ihre Chance als Amme in Berlin. Viele verbesserten damit die wirtschaftliche Lage ihrer Familie, während eigene Kinder von Verwandten oder anderen jungen Frauen der Dorfgemeinschaften aufgezogen wurden. Von Ammen aus Dissen, Sielow, Burg und anderen Dörfern erzählt ein reich bebildertes Büchlein, das sehr zu empfehlen ist. Im Wendischen Museum (Mühlenstraße) ist es zu 9,50 E zu haben.



Am Geschichtsstammtisch im Februar präsentierte Martina Noack ihr spannendes Buch „Nach Berlin! Spreewälder Ammen und Kindermädchen in der Großstadt“ Foto: Hnr.



Gehörten um 1900 zum Großstadtbild Berlins: die wendischen Ammen und Kindermädchen aus dem Spreewald
Foto aus Ullsteins Haeckel-Archiv in „Sorbische Kostbarkeiten“

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