aus dem Hause Cottbuser General-Anzeiger Verlag GmbH

Gesundheitsausstattung mit Aufpreis nach Liste
Barmer-Chef Stefan Faber: Absicherung ist mit Autokauf vergleichbar / Hausarzt Dr. Sutowicz: Mit einer Einschränkung: Der Händler erfährt den Kaufpreis erst nach einem halben Jahr

Cottbus (gg). Da macht Barmer-Regionalgeschäftsführer Stefan Faber nicht viel Umschweife: Der Gesundheitsfonds, in diesem Januar eingeführt, bringt nach seiner Meinung so gut wie nichts für die Zukunft des Gesundheitswesens. Den viel gelobten Morbiditäts-Risikostrukturausgleich hätte es schon vorher gegeben, da hätte er nur anders funktioniert. „Eine riesige Geldumverteilungsmaschine“, attestiert er nach 25 Jahren im Krankenkassengeschäft und erprobt im Reformen durchstehen leicht resigniert: „Reform heißt für mich, die Wende zum Besseren - die allerdings vermisse ich!“ Dennoch: Für Brandenburg springen 100 Millionen Euro mehr raus - verteilt auf alle Kassen, denn das Land hat überproportional mehr
Ältere und mehrfach kranke Menschen. Sorgsam sind im vergangenen Jahr die Kassenkunden in Kategorien eingeteilt worden - je nach Risiko und Krankheitshäufigkeit gibts für jeden eine andere Summe. Und es hat sich herauskristallisiert, wer für die Kassen ein attraktiver Patient ist. „Eigentlich sollten gesunde Menschen unsere besten Kunden sein, in Wahrheit hat der Wettbewerb um die Kranken begonnen. Besonders viel Geld aus dem Gesundheitsfonds gibts für Chroniker, Diabetiker und Menschen mit Herzleiden!“
Dr. Mario Sutowicz, seit einem Jahr Hausarzt in Cottbus-Branitz und CDU-Stadtverordneter seit Herbst schränkt ein: „Aber nur, wenn sie keine teuren Behandlungen benötigen, wenn ihre Krankheit keine Operationen erfordern, sonst nämlich wirds teuer!“ Vor allem für den Arzt. Sutowicz schildert: Zwei Jahre noch nach einer Rezeptverschreibung kann der behandelnde Arzt in Regress genommen werden und muss notfalls die zu teuer verschriebenen Medikamente zurückzahlen. Ein Budget gibt ihm für Obergrenzen vor. Die Patienten allerdings können sich mit ihren Leiden nicht an bürokratisch vorgeschrieben Grenzen halten. Immer wieder wird der ethische Ärzteschwur an dieser Stelle strapaziert. Außerdem: Wenn der Arzt im Januar einen Patienten behandelt, dann bekommt er seine Leistung erst im Juni bezahlt. Dinge, die dem jungen niedergelassenen Mediziner unverständlich bleiben. Und ganz klar. Für ihn bleiben die Patienten am attraktivsten, die einmal jährlich mit einem grippalen Infekt zu ihm kommen und fortan Einnahmen in Form einer Pauschale bringen, aber wenig Kosten verursachen.
Dass jetzt 50?000 Euro für die Ärzte gezahlt werden, die eine frei werdende Hausarztpraxis auf dem Lande übernehmen, meint er, helfe auch nicht über den ausgewiesenen Mangel hinweg: „Man braucht diese Summe allein für ein Ultraschall-gerät! Wer aber trägt die laufenden Kosten einer Praxis, wenn die Gelder für die Behandlungen erst so spät fließen?“
Anders als der Kassenvertreter findet Sutowicz als Arzt, dass der Gesundheitsfonds die Finanzierung der Gesundheit durch die zusätzliche Stützung mit Steuermitteln besser absichert. Nur wurmt ihn das Tempo der Reformen. In seinem ersten Praxisjahr hat er schon zwei Reformen durchlebt: „Man kann nicht planen, man weiß nie, was als nächstes kommt!“, klagt er und für jeden Reformschritt gibt’s ein neues Computerprogramm, das die Ärzte auch noch zahlen müssen.
Ratlos ist Barmer-Chef Faber auch wegen des Hin und Her beim Krankenversicherungsbeitrag: „Ich weiß nicht, wie mit dem nun beschlossenen Beitragsrückgang um 0,6 Prozent die Leistungen ausfinanziert werden können. Eins allerdings wird passieren: Die Kassenlandschaft wird sich in den nächsten drei-vier Jahren gründlich ändern!“ Er prognostiziert: Durch Fusionen und Insolvenzen wird es am Ende nur noch 20 Kassen geben. Verlierer werden die sein, die die zusätzlichen Prämien erheben müssen, weil ihnen das Geld nicht reicht. Auch der Kunde muss umdenken: „Eine Krankenversicherung ist künftig abzuschließen, wie ein Autokaufvertrag - jedes Grundmodell hat vier Räder und fährt. Ob Sie aber Schiebedach, Sitzheizung oder Bordcompu-ter haben wollen, entschieden
Sie beim Vertragsabschluss“, rät er den Gästen im voll besetzten Presse-Café DoppelDeck. Selbstbewusst geht er davon aus, dass seine Kasse - eine der großen in der Branche auf der Gewinnerseite steht: Seit Jahren setzte die Barmer auf Bonusprogramme, mit denen Kunden viele Euros sparen können.
An einer Stelle meinen Sutowicz und Faber übereinstimmend, ist trotz der vielen Reformschritte noch immer zu wenig gedreht worden. Sutowicz redet sich heiß: „Kassen, Krankenhäuser und Ärzte werden akribisch geprüft, aber niemand kontrolliert die Phar-
maindustrie! Manche neuen Medikamente auf biologischer Basis kosten 20?000 Euro und mehr - wer aber prüft die
Angemessenheit?“ Faber beschwichtigt: Auch geforscht muss werden, aber, so bestätigt er: „Da ist noch Musike drin!“

Zu Gast bei Gabi Grube war:


links: Stefan Faber, Regionalgeschäftsführer Barmer-Ersatzkasse: „Wir werden künftig weniger Kassen haben - aber etwas Wettbewerb hält den Apparat auf Trapp!“

rechts: Dr. Mario Sutowicz, Hausarzt und CDU-Politiker: „Auch in der Stadtpolitik ist ärztliche Kompetenz gefragt, z.B. bei den Zuschüssen für die Diabetiker-Versorgung!“

 

Am 22. Januar
reden wir weniger, sondern feiern:
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„„Warum dürfen wir im Branitzer Park nicht rodeln und Schlittschuhlaufen?“ - Unser fürstliches Erbe - Volkspark oder Kulturerbe? Mit Parkleiter Claudius Wecke und Gästen (angefragt)

 

 

 

 

 

 

Gesundheit geht alle an, deshalb gab’s offene Ohren an den Tischen im Presse-Café DoppelDeck, bei der ersten Talkrunde des Jahres 2009 Fotos: Bernd Weinreich

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