aus dem Hause Cottbuser General-Anzeiger Verlag GmbH

Enormeres sah mein erstauntes Auge nie...
Fürst Pückler war am Heiligen Abend vor genau 180 Jahren vom Weihnachtsmarkt im englischen Bath begeistert und berichtete seiner Lucie davon in lebhaften Bildern

Während seiner zweiten Englandreise (1826-1829) hielt sich Fürst Pückler über das Weihnachtsfest1828 in Bath auf. Bath ist eine Stadt im Westen Englands in der Grafschaft Somerset am Fluss Avon, etwa 20 km von der größeren Stadt Bristol entfernt.
Am 24. Dezember besuchte er den Dom „Bath Abbey“ und anschließend den Weihnachtsmarkt der Stadt. Darüber schrieb er an seine Lucie in Muskau Folgendes:
„Da ich die Kontraste liebe, so begab ich mich heute abend aus dem inhaltschweren Tempel unmittelbar auf den in anderer Art wohlgefüllten und gleich stark illuminierten Stadtmarkt - wo unter bedeckten Galerien aller Arten Viktualien (Lebensmittel) verkauft werden. Alles ist hier einladend und elegant, der Gegenstand für tausend Meisterstücke flämischer Pinsel, und ein genußreicher Anblick für den Gastronomen, der hier seine Naturschönheiten bewundert. Enormere Stücke Beef, saftrot in goldenem Fett zitternd, besser gemästetes, wie mit Eiderdaun gestopftes Geflügel, stolzeres Gemüse, schöngelbere Butter, saftigere Früchte und einladendere Fische sah mein erstauntes Auge nie! Alles war vom Glanz hundert bunter Lichter verherrlicht und mit Lorbeer und rotbeerigem Holly (Stechpalme) aufgeputzt. Statt eines Weihnachtstisches waren hundert aufgestellt, und die Karikaturen der verkaufenden Weiber glichen vortrefflich den Pefferkuchenpuppen, wir Käufer aber den neugierigen und erstaunten Kindern. Schwerlich hätte die brillanteste Gesellschaft mich besser amüsieren können. Wenn ich einen gravitätischen Schöps (Hammel) ansah, der in jeder Pfote ein Inseltlicht (Kunstwachslicht) hielt, und sich so selbst erleuchtete, oder eine hängende Poularde, der man einen roten Wachsstock auf die Kehrseite gepflanzt hatte, einen Kalbskopf mit einer Laterne zwischen den Zähnen neben einem großen Gänserich, dem zwei Kirchenlichter vorleuchteten, oder einen Ochsenschwanz, durch den eine Gasröhre ging, die pretentiös im Flammenbüschel endigte - so machte ich mir die ergötzlichsten Vergleiche mit einer assemblée (Versammlung, Zusammenkunft) in der Heimat und fand die Ähnlichkeiten oft frappanter als die Porträts der berühmten Maler W… und S…(gemeint sind: Karl Wilhelm Wach und Johann Gottfried Schadow).
Man lebt hier weit wohlfeiler als in anderen Städten Englands, besonders in den sogenannten boarding-houses (Pension), wo man für zwei bis drei Guineen wöchentlich ganz vortrefflich bewirtet und gut logiert wird, auch eine angenehme und ungenierende Gesellschaft findet.“ Die Quelle hat Volkmar Herold für unsere Leser erschlossen:
Hermann Fürst von Pückler-Muskau, Briefe eines Verstorbenen, Vollständige Ausgabe, Neu herausgegeben von Heinz Ohff, 1986 Kupfergraben Verlagsgesellschaft, Fünfundvierzigster Brief, Seite 335/336

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