aus dem Hause Cottbuser General-Anzeiger Verlag GmbH

Gewalt ist schon gar keine Lösung
Anmerkungen zu RAF-ähnlichen Räubereien nach Schillers Jugenddrama

Cottbus (DB) Sie sind nicht jedermanns Sache, diese hektischen Inszenierungen, in denen schreiend und atemlos deklamiert wird, die Gedanken verhetzt werden, noch ehe sie ins Bild passen und Schauspieler erstarrt an der Rampe stehen, weil sie nicht auch noch spielen können, was sich schwer genug sagen lässt. Doch dann gibt es diese Überfälle, dieses Stürzen in die Kulisse, das Knallen und Fallen und Brennen und Rauchen. „Action“ (sprich: ägtschen) heißt das neudeutsch, und der einschlägig Großkino-geprägte Zuschauer im Parkett wird erfasst von Dramatik bis ins Nackenhaar.
Schiller hätte Riesenspaß an Esther Hattenbachs Inszenierung trotz kräftiger Textkürzungen. Sie wird Gespür haben durch den Vorteil einer Geburt im Geist des Ortes: In Weimar, wo sich Schillers (des dann schon reiferen) Glanzzeit zutrug ist sie geboren, nebenan in Jena, wo der Räuberer als Geschichtsprofessor dozierte, wuchs sie auf. Welch Glück, sie nun am hiesigen Schillerplatz zu wissen, nach „Kick“ mit ihrer zweiten Arbeit.
Denn trotz übler Schreierei: Diese Inszenierung zeichnet in einem großen Familien- und Gesellschaftsdrama messerscharf höchst komplizierte Charaktere. David Hohmanns Bühnenbild gibt die Schablone dafür: Hohe Regalwände, angefüllt mit streng gestellten Büchern, rahmen den Spielraum, sind, ganz nach Situation, Wälle oder Schutzzonen, deckender Hinterhalt oder Waffenkammer. Die Lehre zwischen den Buchdeckeln scheint unnütz, zu Wurfgeschossen verkommen die Bände - es herrscht Anarchie.
Mehr noch als Karl, der Rebell, steht Franz, der stets zurückggesetzte und nun intrigant aufbegehrende Sohn des alten Moor im Blickfeld. Im Dialog mit dem halbgelähmten und trotzdem wütenden Vater (Hans-Peter Jantzen) sucht er seine Feigheit zu überwinden oder später in gehemmt-wilder Begierde gegenüber der schreckhaften Amalia (Kathrin Victoria Panzer) seine Mannhaftigkeit zu wagen. Ihm ist das Scheitern gegeben so wie seinem Bruder das Führen und Stürmen. Franz (ein von Amadeus Gollner filigran gezeichneter aufbegehrender Schwächling) und Karl (ein Hoppla-Typ von Oliver Seidel) hatten kaum Chancen, „Normalos“ zu sein, weil sich ihre Bücherwand nicht als brauchbare Wertewelt erwies. Heuchelndes stand da drin, und erst als die Seiten in Fetzen flogen, waren sie Lebensrausch. Mit seinen Rebellen fühlte Karl sich einige Waldtage lang besser. Doch anders als bei modernen RAF-Kumpanen wirkte in Franz alte Nestwärme und das Heimweh nach.
Zu spät war nach dem Schwellenübertritt die Zeit zur Umkehr. Blut fließt und Machtrausch (Kai Börner als Spiegelberg mit der Geste das Diktators) verzerrt jedes Maß. Nichts ist reparabel in diesem „Freiheitsdrama“, das dem jungen Schiller schon damals entglitten war. Karl, der irgenwann auch eine Episode als idealistischer Weltverbesserer durchlebte, fällt unspektakulär - durch Schüsse in den Rücken. Schluss. Aus.
Das Cottbuser Publikum war überwiegend heftig begeistert von dieser Lesart. J.Heinrich

Karls Räuberbande hat die die Welt in Brand gesetzt. Ohne Skrupel wüten Leute, die vielleicht einmal als Rebellen die Welt, die ihnen aus Büchern erklärt wurde, bessern wollten. Szene im genialen Bühnenbild von David Hohmann. Schillers „Räuber“ gibt es wieder am Sonntag, 14.12. um 16 , und dann am Mittwoch, 17. 12., 19.30 Uhr Foto: Marlies Kross

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