aus dem Hause Cottbuser General-Anzeiger Verlag GmbH

Zwischenbilanz: OB Frank Szymanski ist Sonnabend genau zwei Jahre im Amt
Energieregion und Tor im Osten
TIP macht’s möglich: „Wir bieten jetzt mit, wo wir bisher nur Zaungäste waren“ / 2008 tilgt Cottbus erstmals Schulden / Ziel bleibt mehr Produktion

Cottbus (MB) Auf den Tag genau vor zwei Jahren leistete Frank Szymanski seinen Amtseid als Cottbuser Oberbürgermeister. Gelegenheit für eine Zwischenbilanz, nach der Jürgen HEINRICH fragte.
Wie erinnern Sie sich an Ihre Amtseinführung?
F. Szymanski: Wieder in und für Cottbus zu arbeiten, das hatte etwas Erregendes. In jedem Anfang liegt, finde ich, ein Zauber. Und es ging ja gleich sehr feierlich los. Cottbus hatte 850. Geburtstag. Obwohl das ganze Jahr gefeiert wurde - der 30. November ist der Urkundentag, und meine Arbeit begann mit der Festrede im Staatstheater. Wie alle hier in der Stadt hatte ich große Erwartungen, aber hohen Respekt vor der kommenden Zeit. Die Erwartungen haben sich erfüllt, der Respekt war berechtigt.
Welcher Art waren diese Erwartungen?
Cottbus brauchte eine Kurskorrektur, gründlich. Acht Jahre Potsdamer Erfahrung halfen dabei. Alle Vorhaben, die hier im Gange oder geplant waren, gehörten auf den Prüfstand. Was geht, was gar nicht, was später? Die Stadt nahm Jahr für Jahr rund 25 Millionen Euro neue Schulden auf. Das konnte nicht so bleiben und trotzdem mussten wir investieren, den Stadtumbau voran bringen, neue Motivation schaffen. Genau das alles ist gelungen - wir werden in diesem Jahr erstmals Schulden in mehrfacher Millionenhöhe tilgen.
Gab es keinen Gegenwind, skeptisches Warten?
Das war der Vorteil: Ich war ja nicht aus der Welt, die Menschen kannten mich, ich bin nie weggezogen von Cottbus, war hier SPD-Vorsitzender. Im Rathaus mussten wir Dinge diskutieren, das ist normal. In der Stadtverordnetenversammlung aber gab es durch alle Fraktionen die Stimmung für einen Neuanfang. In einem gemeinsamen Papier ist das formuliert worden, und alle haben ihr Wort gehalten. Es gab kein Gerangel, gleich Sacharbeit. Und so ist das jetzt wieder.
Sie meinen die Kooperationsvereinbarung nach der Kommunalwahl?
Genau die.
Die ist doch, mit Verlaub, völlig überflüssig.
Ist sie eben nicht. Wir reden von einer Zielvereinbarung zwischen Rot-Rot-Grün, die eine Bitte an die CDU und die anderen demokratischen Kräfte einschließt, da mitzumachen.
Wollen Sie ein Schmusekabinett?
Darum geht es doch nicht. In Sachthemen bringt fachlicher Streit bessere Ergebnisse. Solche Debatten gibt’s reichlich und heftig in den Ausschüssen. Zielvereinbarung heißt, dass wir uns bei deutlich begrenzten Budgets klar verabreden, was wir sozialpolitisch auf alle Fälle leisten wollen. Wir verabreden Projekte, die Menschen nach Cottbus ziehen. Zum Beispiel schaffen wird Anreize für eine kinderfreundliche Stadt oder weiterhin hervorragende Bildungsangebote.
Das hat Cottbus. Wo ist Ihr „Zauber des Neuen“?
Dieser - nennen wir ihn: harmonische - Rahmen hat Neues möglich werden lassen. Denken wir an die Parkfeste, den Tag der Vereine, an die „Nacht der kreativen Köpfe“, die nächstes Jahr bundesweites Interesse als einer der 365 Orte im „Land der Ideen“ finden wird. Oder denken wir an das neue Dieselkraftwerk oder an die neue Etappe im Schloss und Park Branitz; Stiftungsdirektor und Parkleiter wurden gerade neu besetzt. Und wir haben wichtige Investitionen erlebt: das Einkaufszentrum, die Karl-Marx-Straße, die ein ewiges Ärgernis war, die grandiose Entwicklung im Klinikum, wo gerade weitere hochmoderne OP-Säle entstehen, und die Zusammenarbeit der beiden Hochschulen.
Das BLECHEN Carré ist offen. Sind Sie Kunde dort?
Ich habe dort schon gekauft. Ich war auch Sonnabend drin, habe da gut gegessen.
Wann wird es den II. Bauabschnitt geben?
Das ist Sache des privaten Investors. Der Umgang mit Banken ist im Moment vielleicht schwierig. Das ist aber nicht unser Part. Wir als Stadt schaffen Planungsrecht. Dazu hat es einen stets transparenten Prozess gegeben. Alle städtebaulichen Fakten sind bearbeitet oder werden positiv begleitet.
Unterdessen rückt der Bau der Bahnhofstraße ins Blickfeld. Die Mittel, war zu hören, liegen aus entsprechenden Förder-quellen bereit. Aber Bürgergespräche gab es dazu noch nicht. Oder?
Die Ausschüsse haben in der nichtöffentlichen Phase daran zu arbeiten begonnen, weil noch rechtliche Fragen offen sind. Das ganze Vorhaben soll als „Dreiklang“ bis 2011/12 vollbracht sein. Neben der Straße selbst gehört das neue Stadtforum mit Stadthaus in der Bahnhofstraße 5 und neuem Kinder- und Jugendtheater und im Süden das Bahnhofsumfeld mit Busbahnhof auf dem jetzigen Parkplatz dazu. Im Jahr 2009 sollen alle Planungen fertig werden; sie beginnen im zeitigen Frühjahr mit den Bürgerrunden.
Ein Abgeordneter hat sich diese Woche bedankt, dass Sie den Nachkrieg beendet und den Jägern und Sammlern wieder den Flugplatzwald zugänglich gemacht haben. Wie fanden Sie das?
Nachdenkenswert. Tatsächlich haben wir schon drei Millionen Förder-Euro in eine Zukunftsfläche investiert, unter anderem indem wir mit der Vergangenheit gebrochen und die Restmunition geräumt haben. Mit dem Technologie- und Industrie-Park (TIP) direkt neben der BTU entwickeln wir seit der Wende erstmals eine große Industriefläche.
Braucht Cottbus das?
Nichts nötiger als das. Wir haben vor allem in Service- und Dienstleistungsbranchen und öffentlichen Behörden über 46000 sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze. Nur neun Prozent sind im produzierenden und verarbeitenden Gewerbe. Das ist deutlich zu wenig und viel dramatischer als die Frage, ob wir über oder unter 100000 Einwohner haben.
Indem wir den TIP vorhalten, reden wir national und international mit im Standortpoker; dort waren wir bislang Zaungäste. Wir wollen nicht nur, wir müssen Industrie und produzierendes Gewerbe ansiedeln.
Cottbus hat Flächen im Osten und im Süden, Spree-Neiße auch. Warum sollte TIP Investoren bringen?
Weil hier ein optimal aufbereitetes Gelände von 320 Hektar mit 150 Hektar reiner Industriefläche direkt neben der BTU mit Option zum Werkflugverkehr zur Verfügung steht. Das gab es in zeitgemäßer Qualität bisher nicht.
Da ist eine Landebahn, aber die Straßenanbindung fehlt.
Wenn Sie im neuen Kreisel sind, schauen Sie direkt ins TIP. Ist das nicht nahe genug?
Schon. Aber Industrie rollt auf Schwerlastachsen. Sollen die da durch?
Sobald es konkrete Ansiedlungswünsche gibt, behandelt eine schon bestehende Kommission mit Experten aus Cottbus, Kolkwitz und dem Land die Direktanbindung an die Autobahn. Das ist besprochen.
Sie haben auf der EXPORIAL in München internationale Makler angesprochen. Mit Erfolg?
Dort ist etwas in Bewegung gesetzt worden. Die Dinge brauchen Zeit. Wir schauen nach Frankfurt/Oder - dort ist dieser Weg vor zehn Jahren begonnen worden, und jetzt ist Erfolg da. Cottbus hat Verzug zugelassen, jetzt sind wir dran. Und zwar in Doppelstrategie. Wir betreiben nationale/internationale Akquise und wir bieten Unternehmen der Region diese Vorteile. Es gibt Interesse, speziell an Gebäuden wie den Hangars.
Sie trauen dem Brandenburger Süden offenbar viel mehr zu als manch anderer...
Und ob! 2011 ist der Flugplatz BBI fertig - weniger als eine Stunde entfernt. Die Autobahn ist in Ordnung, an der Bahn arbeiten wir. Wir haben ein hervorragendes Potenzial an Fachkräften und sind regionaler Wachstumskern in fünf Branchen. Und wir sind geografisch glücklich dran: Ein Tor zwischen Ost und West.
Sie sind sich Ihrer Sache sicher. Wann werden sich erste Kräne überm TIP drehen?
Bauaktivitäten erwarte ich 2010 /2011. Mein Optimismus stützt sich auch auf korrespondierender Vorgänge, zum Beispiel die jüngst vereinbarte Kooperation in der Energieregion Lausitz-Spreewald. Wir haben für lange Zeit Braunkohle, durch sie die innovativen Klimaschutztechnologien, die Vernetzung mit der Erforschung erneuerbarer Energien und verschiedene Synergien daraus. Wir stehen im Begriff, anknüpfend an die IBA, das Zentrum der Fürst-Pückler-Land-Idee in Cottbus und Großräschen anzusiedeln.
Wie geht die Stadt dann mit ihren tradierten kulturellen und sportlichen Marken um?
Cottbus hat im Vergleich zu Städten ähnlicher Größe ein hervorragendes Kultur- und Sportangebot. Wir halten diesen Standard seit Jahren und bauen ihn aus, wie Theater und Dieselkraftwerk, das größere Fußballstadion, unsere stärker zu nutzende Radrennbahn und andere Beispiele zeigen.
Sind diese Vorzüge außerhalb der Stadtgrenzen genügend bekannt?
Noch nicht, aber wir arbeiten dahin. Wir wollen möglichst jeden Monat im Jahr ein Großereignis schaffen wie den Zug der Fröhlichen Leute, das Filmfestival oder Sportmeetings, um damit beispielsweise auch die Auslastung der Hotels zu verbessern. Gerade formieren wir einen Stadtmarketing-Verband, der private und öffentliche Bestrebungen koordiniert und Zusammenarbeit mit der Region sucht. Nächstes Jahr wird Cottbus deshalb wieder Mitglied im Tourismusverband Spreewald und Mitglied im Tourismusverband Niederlausitz.
Danke für das Gespräch.

Ein Stück Arbeit geschafft! Die ihn kennen oder kennengelernt haben in zwei Jahren an der Stadtspitze, schätzen am OB offenes Visier und ausdrucksstarke Körpersprache. Man weiß woran man ist bei Frank Szymanski. Hier in der Beratungspause der Stadtverordneten freut ihn die klare Mehrheit für neue Marketing-strategien der Stadt

Ein Stück Arbeit geschafft! Die ihn kennen oder kennengelernt haben in zwei Jahren an der Stadtspitze, schätzen am OB offenes Visier und ausdrucksstarke Körpersprache. Man weiß woran man ist bei Frank Szymanski. Hier in der Beratungspause der Stadtverordneten freut ihn die klare Mehrheit für neue Marketing-strategien der Stadt Foto: Autor

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Lehrer, Rektor, Bauminister, Cottbuser OB

Große Städte haben selten Männer oder Frauen an ihrer Spitze, die dort auch geboren sind. Frank Szymanski ist auch in Cottbus seit Hugo Dreifert (Amtszeit 1914-25) der erste, auf den das zutrifft. In Sandow aufgewachsen, erwarb er in der Puschkinpromenade das Abitur und hatte dort nach dem Potsdamer Studium (Deutsch/ Geschichte) auch seine erste Lehrerstelle (heutige Erich-Kästner-Schule).
Nach vier spannenden Jahren als Fachlehrer an einem deutschen Gymnasium in Bulgarien wurde Frank Szymanski 1989 Direktor der 24. Polytechnischen Oberschule in Cottbus, später der 8. Gesamtschule.
Von 1993 bis ‘98 war er Stadtverordneter, ab 1994 Fraktionsvorsitzender der SPD. In diese Zeit fielen unter anderem die Bundesgartenschau, die Entwicklung der BTU und der Energie-Aufstieg.
1998 berief Manfred Stolpe den Cottbuser zum Staatssekretär im Bildungsministerium. Als Minister wechselte er 2003 ins Fach Stadtentwicklung, Wohnen und Verkehr.
Vorgezogene OB-Neuwahlen führten den nie ganz umgezogenen Cottbuser 2006 zurück in seine Vaterstadt: Im 1. Wahlgang gaben ihm die Cottbuser ihr Vertrauen; am 29. November, heute vor zwei Jahren, leistete Frank Szymanski den Amtseid als Oberbürgermeister. „In jedem Neuen liegt ein Zauber“ sagte er am Vorabend des 850-jährigen Geburtstages seiner Stadt. Er selbst war gerade 50 geworden.

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Vieles auf den Weg gebracht: Stadtverordneter Frank Szymanski, Fraktionsvorsitzender der SPD, im November 1996 im Hauptausschuss

Vieles auf den Weg gebracht: Stadtverordneter Frank Szymanski, Fraktionsvorsitzender der SPD, im November 1996 im Hauptausschuss Foto: CGA-Archiv

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