aus dem Hause Cottbuser General-Anzeiger Verlag GmbH

Lebenslinien: verworren, rätselhaft
Bilder von Margo und Günther Wendt zu deren 100. Geburtstagen jetzt in der Vattenfall-Hauptverwaltung / Dokumente aus fernen Daseinsformen

Region (h). Er hat die Zeit als turbulent in Erinnerung: „Annekatrin Bürger, Rolf Römer, Erwin Strittmatter, der Regisseur Horst Schönemann und viele andere Künstler gingen in unserem Hause ein und aus“, erzählt Götz Wendt (67). Damals, Mitte der Fünfziger, war sein Vater Bühnenmaler am Theater, Museumsleiter und auch freischaffender Künstler. Die Mutter, Günther Wendts Frau Magarita Alexandrowna, geboren in Jekaterinenburg, dem Ort des Zaren-Massakers, hatten die Russen 1946 in den Gulag verschleppt. Der Regisseur Frido Solter war in jenem kreativen Kreis, als Margo 1956 zurück kam. Er blieb Freund des Hauses und sagt heute über Günther Wendts Werk: „Er wehrte sich immer, die Lüge zu malen.“ Trotz, vielleicht wegen so verworrener, bisweilen rätselhafter Lebenslinien.
Götz Wendt vor dem Bild „Atelierbesuch“, das sein Vater 1960 malte. Es zeigt Günther und Margo Wendt mit dem Malerkollegen Heinz-Karl Kummer aus Lauchhammer Fotos: Hnr.
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Die vier Kinder wuchsen bei ihm und Rose Herzberg auf. „Von Mutter“, erinnert sich Götz Wendt, „gab es die spärlichsten Nachrichten. Erst 1955 kündigte sich ihre Rückkehr an.“ Das Paar, das sich vor 1930 beim Studium in Charlottenburg kennen und lieben gelernt hatte, fand nicht mehr zusammen, blieb aber künsterisch verbunden. 1971 starb Günther Wendt, seine Frau sieben Jahre später. Ihr Geburtstag jährte sich 2007 zum 100. Male, seiner im Januar diesen Jahres. Die Rundungen sind Anlaß für eine Ausstellung in der Vattenfall-Hauptverwaltung, die bis Ende Januar 2009 zu sehen ist. Nein, passend machen für sozialistischen Realismus ließ sich Günther Wendt, der sich der liberalen Partei angeschlossen hatte, nicht. Er malte die Landschaft seiner Heimat und ihren Wandel, auch Bergleute und Bauern, aber keine Helden.
Dokumentalist seiner Umwelt war der Blechenpreisträger, nicht Fahnenschwenker. Die großen Bilder in Mischtechnik sind von schwerer Hand gemacht, mit leichtem Pinsel dagegen die Aquarelle und letzte blau-weiße Landschaften in Öl. „Obwohl ihm eigentlich eine Routine-OP bevorstand, hatte er eineAhnung, dass es zuende geht“, glaubt Sohn Götz. „Er schaffte Ordnung wie besessen, malte lange weggestellte Bilder fertig oder signierte auch nur. Und er räumte, was nicht seine Art war, das Atelier gründlich auf, ehe er ging.“
Margo Wendt fand zu fast genialer Leichtigkeit. Als Mutter und Ehefrau hatte sie zunächst wenig Chancen zur künstlerischen Entfaltung. Die Jahre in Russland bleiben verschwiegenes Rätsel. Zwei Zeuginnen wissen, dass sie bewundert wurde für ihre Improvisation: Pajettenkleider zauberte sie aus Käsefolie. Was noch? Der Gulag-Zyklus, ein Jahr nach Heimkehr, ist von erstaunlicher Bildkraft. Spätere Monotypien bleiben ohne Beispiel in ihrem Umfeld, und Materialdrucke von 1974 und Bilder in anderer Technik, immer wieder auch Zitate russischer Folklore, sind an Lebenslust und federleichtem Witz kaum zu übertreffen.
Eine wunderschöne Ausstellung, die nachdenkliche Besucher heimschickt.



oben: „Er wehrte sich immer, die Lüge zu malen“, bezeugt der Berliner Regisseur Frido Solter als Freund des Hauses Wendt und Zeitzeuge künstlerischen Suchens im Senftenberg der 50er Jahre. Nach Cottbus kam er jetzt mit seiner Frau

 

 

 

 

 

 

unten: „Lagernutte“ heißt diese drastische Tafelmalerei von Margo Wendt, die zu einem merkwürdig distanziert- lasziven Zyklus „Frauen im Gulag“ gehört, mit dem sie ein Jahr nach ihrer Heimkehr aus Russland im Jahre 1957 schockierte. Ihr späteres Werk ist lebensfroh und voller Humor

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