aus dem Hause Cottbuser General-Anzeiger Verlag GmbH

Nun der erste Tag: „Die Walküre“
Wagners zweiter Abend zum „Ring der Nibelungen“ in der Regie von Martin Schüler war Höhepunkt der Festwoche des Staatstheaters Cottbus

Cottbus (h.). Es ist ein Schinken, der sich schwer verdaut. Voll gepfropft von mystischem und mythologischem Ballast. Der alte Wagner! In Bayreuth - na gut. Aber hier?
Martin Schüler macht’s möglich. Der Operndirektor hat zu wenig Ehrfurcht, dafür frische Ideen. Das „Rheingold“ wurde in Cottbus schon geschmiedet. Nun lässt er Siegmund und Sieglinde, die sich als Geschwister entpuppen und doch Liebende sind, fast ohne Pathos nahe am Parkett und vor dem Orchester agieren, lässt Wotan und Brünnhilde in ganz menschlichen Leidenschaften schwelgen und erzählt die schwierige Geschichte spannend und vor allem sehr, sehr musikalisch.
Generalmusikdirektor Evan Christ hat nach der „Planeten“-Suite seinen zweiten großen Auftritt und erobert mit ganz neuer Orchesterleistung die Herzen des Publikums. Die Wagnersche Musik fährt wie ein Rausch in die Sinne, insbesondere im dramatischen zweiten Aufzug. Ein grandioses Tongemälde zieht letztlich doch hinein in diese Mystik, diesen Wahn in Liebe und Götterspuk.
Anna Sommerfeld ist mit herrlicher, klarer Stimme die sonst recht verhaltene Sieglinde. Ihr Heldenbruder, dem sie augenblicklich zugeneigt ist und für den sie - das ist eben Märchen - gleich ihren Gemahl per Schlaftrunk ausschaltet, gibt John Pierce, der bis 2002 hier engagiert war. Sein Tenor scheint noch kräftiger als ehedem, obgleich Premierenstress wohl einige Ansätze verklemmte. Er ist ein idealtypischer Siegfried.
Hervorragende Gäste konnte Schüler für dieses Projekt verpflichten. Als Göttervater Wotan erlebt das Publikum den Bassbariton Kersten Mewes, einen Künstler mit Bayreuth-Aura. Die Brünnhilde singt die Amerikanerin Lisa Livinston, die auch darstellerisch durchaus gefiel. Stimmlich war sie, die zurzeit in der Opernwelt bewundert wird, ohnehin schwer zu übertreffen.
Tilmann Rönnebeck gibt dem Hunding seinen Bass und die hier oft gepriesene Gestaltungskraft. Er hat, war beiläufig zu vernehmen, das Cottbuser Engagement jetzt verlassen und gehört dem Ensemble der Komischen Oper an. Göttergattin Fricka ist eine vertraute Stimme und erfahrene Darstellerin: Carola Fischer, die neben den namhaften Gästen vollkommen besteht und couragiert in die Szenen eingreift. Es tut ja offenbar in diesem Gerangel zwischen Menschen und Göttern ohnehin niemand was er soll. Wie im richtigen Leben muss alles werden und kann ein Schwert, auch wenn es einen Zauber in sich trägt, nicht plötzlich Probleme lösen.
Der Regisseur sieht den tondichterischen „Entwicklungsroman“ als Ganzes und freut sich offenbar darauf, diesem ersten Tag der Nibelungen einen zweiten folgen zu lassen.
Im Spiel sind diesmal außer den Genannten Saskia Klumpp als Gast sowie Cornelia Zink, Gesine Forberger, Katharina Dittmar, Sandra Bösel, Uta Ecke, Anne Schierack und Anna Fischer zu erleben.
Das Bühnenbild vor dem Orchester (Gundula Martin) lässt eine heftige Welterschütterung vermuten. Es schafft unter Nutzung des Orchestergrabens einen zusätzlichen Aufgang, belässt aber den ersten Reihen verminderte Sicht. Es gab riesigen Premierenbeifall für eine starke Ensembleleistung. Am 25. und 30. Oktober sind nächste Aufführungen.



„Die Walküre“ - Szene mit Anna Sommerfeld als Sieglinde und Lisa Livingston als Brünnhilde, umgeben von Walküren. Das Orchester auf der Bühne im Hintergrund



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