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Wenn Pflege nur noch Stress ist
Krankenhäuser, Gewerkschaften und Pflegeverbände kämpfen am 25. 9. in Berlin
für eine bessere Finanzausstattung der öffentlichen Kliniken

Region (gg). Augenscheinlich ist ein Pflegenotstand wenigs-tens dem Patienten noch nicht augenfällig genug, sonst wäre das Interesse an einer Podiumsdiskussion im Cottbuser Carl-Thiem-Klinikum (CTK) am Mittwoch sicher größer gewesen. Die Gewerkschaft ver.di hatte zum Thema „Zukunft der Krankenhausfinanzierung - der Deckel muss weg“ in den Hörsaal des CTK eingeladen. Rund 20 Teilnehmer kamen, vor allem aus den Reihen des Pflegepersonals, auf deren Rücken gerade die Sparpolitik der öffentlichen Kassen ausgetragen wird. Seit 1993 gilt: Die Ausgaben für die Gesundheitsversorgung in Deutschland sind an die Grundlohnsumme gekoppelt. Das heißt: Je weniger die Deutschen im Durchschnitt verdienen, desto weniger darf für ihre Gesundheits aufgewendet werden. Eine Deckelung, die dazu geführt hat, dass Länder und Kommunen immer weniger Geld für nötige Investionen an Kliniken zur Verfügung stellen und dafür beim Personal gespart worden ist. 50 000 Pflegestellen wurden deutschlandweit in den vergangenen Jahren abgebaut. In Brandenburg sind 585 Pflegestellen auch deshalb nicht besetzt, weil das Geld als Klinik-Eigenanteil für Investitionen gebraucht wird, erklärte Herbert Weißbrod-Frey, ver.di-Gesundheitsexperte. Kathrin Möbius, Geschäftsführerin des Spremberger Krankenhauses beschreibt weiterreichendere Auswirkungen: „Bislang konnten wir übermäßigen Personalabbau dadurch verhindern,dass auf Weihnachtsgeld und Lohnerhöhungen verzichtet wurden. Das ist aber nicht mehr länger durchzuhalten!“ Bei gestiegenen Aufgaben, bei einem enormen Patientenzuwachs, bei explodierenden Sachkosten sei das Personal seit zehn Jahren konstant geblieben.
Erstmals ist deshalb aus Gewerkschaftern und Krankenhausleitungen eine Allianz gegenüber der Bundesregierung geworden. Die Forderung: Mehr Geld für mehr Personal! Außerdem, so Weißbrod-Frey: „Für jedes Krankenhaus ist verbindlich geregelt, wieviel Fluchtreppen und Brandschutztüren es braucht - es fehlt hingegen eine gesetzliche Regelung für das Selbstverständlichste, nämlich das Mindestpersonal, was man für die Patientenversorgung braucht!“
Till Frohne, Justiziar des CTK, will als Zuhörer an globalere Zusammenhänge erinnern: „Es braucht die Betrachtung des gesamten Gesundheitswesens. Verschwendung gibt es bei Arzneimitteln und medizinischen Hilfen - Rollatoren, Orthesen oder Krücken könnten wiederverwendet werden!“
Die Ausgewogenheit Brandenburgischer Krankenhausinvestitionen verteidigte Landtagsabgeordnete Birgit Wöllert (LINKE). Das Land läge dabei über bundesdeutschem Durchschnitt. Deutschlandweit allerdings laufe man einem Investitionsstau von 50 Milliarden Euro hinterher. Gegen den weiteren Abbau von Personal sind auch für die Zukunft keine Schranken eingebaut.
Um diesen Zustand zu ändern, haben sich für den 25. September rund 700 Protestler aus Pflegeberufen und Gewerkschaft in Berlin zur Großkundgebung verabredet.

Landtagsabgeordnete Birgit Wöllert (LINKE), ver.di-Gesundheitsexperte Herbert Weißbrod-Frey, CTK-Personalratschefin Angelika Herfarth, Kathrin Möbius, Geschäftsführerin des Spremberger Krankenhauses und Moderatorin Helga Bunke (ver.di, von links) sprachen über die Auswirkungen und die Zukunft der Krankenhausfinanzierung. Tenor: Erstmals sind sich Gewerkschafter und Arbeitgeber einig, dass die Grenzen bei der Arbeitsbelastung des Pflegepersonals erreicht sind. Gemeinsam wollen sie in Berlin für eine bessere Politik protestieren
Foto: Gabi Grube

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