aus dem Hause Cottbuser General-Anzeiger Verlag GmbH

Im Möbelmarkt macht ihm keiner was vor
Klaus Schmiedchen hat das Möbelgeschäft von der Pike auf gelernt und beste Adressen bedient

Cottbus (MB). Das Haar ist grau, aber die Augen blitzen pfiffig.Klaus Schmiedchen erzählt seine Geschichte im lichtdurchfluteten Pavillon. Tische, Stühle, Regale gibt’s hier in Fülle, meist raffinierte Bürotechnik. Ein Beistelltisch fährt auf Fingerdruck aufwärts. „Reiss“, kommentiert der Unternehmer beiläufig, „seit Jahren unser Partner, wie andere aus der Region und aus Sachsen.“ Tischler aus Cottbus wie Vater oder Bialas sind darunter, andere vertraute Namen, auch Polsterer Hummel. „Der hat für uns schon im „Bellevue“ Dresden gearbeitet, im Schweden-Auftrag...“ Klaus Schmiedchen ist am 1. September 1958 ins Berufsleben eingetreten - vor 50 Jahren. Langweilig war ihm da nie.
Auf Holz und Stroh
Über dem schlesischen Neustadt stand kein guter Stern. Vater Schmiedchen betrieb eine Landwirtschaft mit Fuhrunternehmen. Er hatte als Bauer etwas erreicht, als 1943 sein Fünfter zur Welt kam. Dann aber das Ende: Drei Gespanne mit vier Pferden und sechs Kühen sollten das Habe sichern. Die Pferde, so erzählte Mutter später, nahmen die Polen, die Kühe die Russen. Mit gar nichts erreichten die Vertriebenen das Dorf Briesen, und als später der Vater heimkam, starb er bald an Typhus. In den Arbeitsdienstbaracken der Reichswehr hatten die Kinder ihr Lager - auf Holz und auf Stroh.
„15 Jahre wohnten wir in dem Dorf“, erzählt der nun 65-jährige und rückt fast verlegen am tiefblauen Hemdkragen: Dorfschule mit zwei Klassen in einem Zimmer, meistens Hunger; Schluß nach der 8. Klasse. „Ich wär gern Lehrer geworden, aber Mutter sagte: du musst Geld verdienen.“
Raumausstatter bei Poco
„PoCo“ hieß Polstermöbel Cottbus. Die Firma baute Komplett-Wohnzimmer für den Export.
Klaus Schmiedchen lernte hier Raumausstatter und Polsterer, arbeitete als Geselle, hängte ein Meisterstudium an der Fachschule für Holztechnik in Weimar an und machte - ganz ohne Partei - eine steile Fleiß-Kariere. Jungmeister, später Bereichsleiter Produktion, dann Leiter für Absatz.
Es war ein normaler Lebenslauf in jener Zeit. „Geheiratet habe ich 1964, dann 18 Monate als Panzersoldat gedient, auch nach Feierabend weiter studiert.“ Holzingenieur der DDR war er 1972 und die Schinderei um zufriedene Kunden bei allerhand Ärger mit Lieferanten war nicht minder als heute. Der nun 30-jährige nahm den Job ernst - und scheiterte fast.
Der Eklat
Als ein West-Kunde nicht zahlte, hielt Klaus Schmiedchen dagegen: „Angebliche Mängel waren, wenn überhaupt, auf vom Kunden beigegebenes Material bezogen. Ich forderte: zahlen, oder wir stellen weitere Lieferungen ein.“
Im Nu war der Fall „eine Etage höher“ - Kombinatsdirektor, Parteisekrtetär: ‘Sie entschuldigen sich beim Kunden und nehmen die Ware zurück’, hieß es. Nein! Das ging dem jungen Absatzleiter gegen die Ehre. Er konnte sich’s leisten, weil sein Bereich Musterabteilung im Absatz war. Aber es knirschte. 1976 war das. Schmiedchen kündigte und ging eine Verbindung mit Innenprojekt Halle ein.
Einen VEB gegründet
Das kam im deutschen Osten selten vor: Der marktgewandte Ausstatter gründete einen volkseigenen Betrieb, einen selbstständigen Ableger des Hallenser Innenausstatters. Überall tobte das neue Bauprogramm: Schulen, Kindergärten und solche Objekte wie die Gaststätten „Molle“, die Sternchen-Eisbar oder die „Teestube Lipezk“ und schicke Geschäfte im Cottbuser Stadtzentrum schossen aus dem Boden.
Das Unternehmen lief blendend. „Wir wurden sogar zum ‘Inlandexporteur’, holten dem Staat die Devisen zurück, die er für Prestigeobjekte ausgab.“ Den Auftrag für das Dresdener Bellevue vergab die DDR an ein japanisches Unternehmen. Das bestellte eine schwedische Firma für den Hochbau und die wiederum engagierte Ipro Cottbus als Ausstatter. Cottbuser Handwerker verdienten als Subunternehmen das „Westgeld“, das die Japaner an die Schweden durchgereicht hatten - bekamen allerdings selbst nur Ostmark. „Immerhin blieb manch gutes Stück Material hängen, mit dem Kunden geholfen werden
konnte“, erinnert sich Klaus Schmiedchen an die aufregende Zeit. Das Schauspielhaus Berlin hat ICO damals ausgestattet, in der Dresdener Semperoper gearbeitet und für die Innenausstattung am Märkischen Ufer einen DDR-Kunstpreis erhalten.
Abgewickelt
1990. „Sie wollen kaufen? Wieviel Geld haben Sie denn mit“, fragte Herr Friedrich bei der Treuhand. Ipro wurde abgewickelt, der VEB-Chef hieß nun Geschäftsführer. Er legte ein Konzept hin. Geld habe er nicht, aber die Sparkasse gebe Kredit. „Sparkasse? Die haben doch kein Geld, und ihr habt keine Ahnung, wart alle bei der Stasi und bauen könnt ihr schon gar nicht. Seht euch doch diese Bude an!“ Der Höhnende zeigte auf die Plattenfugen im Block seiner Behörde. „Wenn keiner aus dem Westen die Firma will, können wir ja sehen...“
Einer wollte aus dem Westen. „Der stellte mir gleich einen Mercedes hin, damit ich ihm beistehe. Tat ich aber nicht.“ Der Mann betrog anderswo und endete im Knast. Dann fand sich ein seriöser Kaufmann, den interessierte die Immobilie, nicht das Unternehmen. „1994 bot er mir seine Anteile an.“ Zu einem Vielfachen von dem Preis, den die Treuhand ihrem Landsmann zugemutet hatte. Der Wiedergründer knabbert bis heute dran. Aber: „So ab 2000 konnte ich den Horizont überschauen.“
Gute Aussichten
Seit 2002 steht Sohn Sylvio als Vertriebsleiter an seiner Seite. „Wir haben den Markt exakt eingeschätzt“, erklärt der Vater. Wer Hochwertiges anbietet, muss es zeigen, überlegte er, und setzte den bekannten Pavillon vor das sanierte Geschäftshaus. Ehe noch der Büromarkt verebbte, orientierte ICO auf Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen. „Wir sind heute der führende Einrichter für Sozialbauten“, sagt der Unternehmer und hat Beispiele von Cottbus (MED, AWO) über Potsdam, Brandenburg, Perleberg, Chemnitz bis Berlin parat. Aber auch gelungene Büroausstattungen führt er noch immer gern als Referenzen seiner Leistungsstärke an: die Hauptverwaltung von Vattenfall am Cottbuser Südeck, das Spree-Neiße-Landratsamt in Forst...
Klaus Schmiedchen ist sichtlich stolz auf seine berufliche Bilanz. „Von der Erniedrigung bei Treuhandleuten abgesehen bin ich zufrieden mit allem.“
Sind Jeans in Ordnung zum Fotografieren? überlegt er. Ja klar, blaue Jeans, dunkles Sakko, das ist heutiger Standard. Praktisches setzt sich bei Möbeln wie in der Gaderobe durch. Er sieht sich um im Pavillon: „Zwei Jahre stehe ich dem Unternehmen und dem Markt noch zur Verfügung...“
Er möchte, dass es weiter geht mit ICO, und er will tun, was er seit Jahren kann: Risiken minimieren. J.Heinrich

Ein halbes Jahrhundert Arbeitsleben: Klaus Schmiedchen hat seinen Beruf von der Pike auf gelernt und den Markt in all seiner Dynamik erlebt - heute ist sein Unternehmen ICO führender einrichter für Sozialbauten

Ein halbes Jahrhundert Arbeitsleben: Klaus Schmiedchen hat seinen Beruf von der Pike auf gelernt und den Markt in all seiner Dynamik erlebt - heute ist sein Unternehmen ICO führender einrichter für Sozialbauten

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