aus dem Hause Cottbuser General-Anzeiger Verlag GmbH

Hände falten, Köpfchen senken...
Gelten die alten Eide? / Geschichtsstammtisch sprach über Kirche im Reich

Cottbus (h). Wenig ist publiziert über Alltag im Dritten Reich, auch über die Rolle der Kirche. „Die Dinge sind nur aus der Zeit heraus zu verstehen“, wiederholte beim Geschichtsstammtisch
Dr. Christian Lehm.
Ältere Menschen erinnern sich wie Dora Liersch an prägende Nebensächlichkeiten: „Hände falten, Köpfchen senken und an Adolf Hitler denken“, hieß es für sie 1944 in der 1. Klasse. Der Alltag war „gleichgeschalten“ oder, wie Dr. Lehm einen Historiker zitiert: Im Volk bestand Konsens zur Staatspolitik.
„Die Bewegung“, wie sich der Nationalsozialismus umschrieb, hatte in Cottbus schnell Erfolg, auch in der Kirche. Als die NSDAP 1933 bei den Wahlen 21 der 41 Stadtverordneten-Sitze errang, war die Stadt im Rausch. SS, SA und „Stahlhelm“ sammelten sich am Schillerplatz. Durch dicht gesäumte Straßen erreichte der Triumphzug die überfüllte Oberkirche. Pfarrer Schmidt predigte über „Wunderbares vor unseren Augen“, der „Sieg ist durch den Herrn gekommen.“
Zu den sozialökonomischen Bedingungen, die das Reich ermöglichten, ergänzte Dr. Lehm kirchengeschichtlich: Viele Pfarrer waren als ehemalige Kriegsfreiwillige des I. Krieges keine Freunde der Weimarer Republik, wurden Mitbegründer des „Stahlhelm“ und später der NS-Partei. In Klein Döbbern wirkte ein radikaler Pfarrer, der vorm Gebet die Hakenkreuzfahne über den Altar breitete.
Innerhalb der Deutschen Evangelischen Kirche (DEK) gab es die Bekennende Kirche. Aber auch sie war nicht im Widerstand. Sie trat ab 1934 lediglich gegen das Abweichen vom Evangelium ein, wollte „zum zum Tisch des Herrn halten.“
Der „Bewegung“ lag vor allem an der Jugend. 1942 gab es reichseinheitlich - auch in Cottbus - Gelöbnisfeiern der 14jährigen.
Ein Besucher wendet ein: „Sollte man sich im Alter nicht lossagen von solchen Gelöbnissen - vor Gott und auch vor einem Pfarrer?“
Er selbst habe sich so von seinen Jungpionier-
Versprechen frei gemacht.
Ein anderer Besucher: „Man kann immer umkehren vor Gott.“
Ja, ein Dritter, es kann hilfreich sein, jemandem zu sagen,
dass man Last spürt.
Nur dies geht nicht: Jemandem vorwerfen, dass er „dabei“ oder bei Wehrmachtseinheiten war, sagt Dora Liersch. Niemand wurde gefragt, wohin er einberufen werden möchte. Dr. Lehm: „Ab 1939 konnte man sich nicht mehr raushalten, da saß man fest drin.“ - Erinnerungen ans „Köpfchen senken“ werden heute wach.

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