aus dem Hause Cottbuser General-Anzeiger Verlag GmbH

Branitzer Wehr: noch Luft vorm Fest
Fachleute fanden 22.1.1922 als Gründungstag /
Auch alle anderen Daten für Feuerwehrgründungen
im ehemaligen Landkreis Cottbus entdeckt

Cottbus. Die Kameraden der Freiwilligen Feuerwehr Branitz können sich in aller Ruhe auf ihr 90-jähriges Jubiläum im Januar 2012 vorbereiten. Sicheres Gründungswissen verdanken sie dem Stadtarchivar Steffen Kober und in besonderem Maße der engagierten Recherche des früheren Direktors des Bezirksmuseums, Siegfried Neumann.
Vor Monaten geisterte die Mär durch die Stadt, Branitz sei die älteste Feuerwehr der Region. Jemand hatte dokumentiert gefunden, dass in Branitz 1822 eine Spritze stand. Steffen Kober: „Eine Spritze macht aber noch keine Feuerwehr.“
Drei Branitzer Kameraden wollten der Sache auf den Grund gehen: Kay-Uwe Klutentreter, Jens Nowotnik und Michael Roick. Sie hatten Glück: Siegfried Neumann, durch seine lange Tätigkeit im Schloß auch der Gemeinde Branitz verbunden, bot fachliche Hilfe an. Gemeinsam mit den Wehrleuten fuhr er ins Brandenburgische Landeshauptarchiv. Steffen Kober: „Beim Warten auf die Akten hat Siegfried Neumann den jungen Leuten noch schnell das Lesen der Frakturschrift (siehe Zeitungsausschnitt) beigebracht.“
Die Entdeckung, die per „Findbuch“ (Dokument, das über Stichworte den Weg zu Originalakten weist) glückte, war weitreichend: Aus einer Akte des Provinzial Feuerwehr-Verbandes aus dem Jahr 1934 konnten alle Gründungsdaten der Feuerwehren im früheren Landkreis Cottbus entnommen werden. „Wir haben Kopien bestellt; im September können die Freiwilligen Feuerwehren von uns ihre Gründungsangaben erhalten“, sagt der Stadtarchiv-Chef.
Die Branitzer Spur wurde nun in hiesigen Zeitungsbelegen verfolgt. „Wir fanden vier Beiträge zum Branitzer Gründungsgeschehen“, freut sich Steffen Kober. Am 20. Januar 1922 stimmte die Gemeindevertretung dem Kauf einer Spritze aus Berlin-Britz zu. 6 800 Mark kostete das Teil. Frei wurde es, weil die Britzer „automobilisiert“ wurden. Am 22. Januar referierten Madlower Wehrleute über das Löschwesen in Branitz. Noch am gleichen Abend kam es zur Gründung der Wehr; ihr schlossen sich sofort 43 Gemeindemitglieder an! Der „Cottbuser Anzeiger“ schreibt zwei Tage später: „Oberführer der Wehr wurde Bäckermeister Julius Michalko, Stellvertreter Heinrich Lehniak, Spritzenführer Schneidermeister Knöbel...“

In vollem Wortlaut schreibt der "Cottbuser Anzeiger"
am 24.1.1922
:
Gründung der Freiwilligen Feuerwehr Branitz. Wie wir berichteten, fand nach der Gemeindeversammlung die Gründung einer Freiw. Feuerwehr statt. Erschienen waren der Oberführer der Madlower Freiw. Feuerwehr Stellmachermeister Fritz Noack, Obermeister Paul Noack, Spritzenmeister Herm. Muschick und das Vorstandsmitglied Arthur Lange, Sämtlich von der Madlower Wehr.
Gemeidevorsteher Knöfel begrüßte die Madlower Herren und gab dem Oberführer Nock / Madlow das Wort zu seinem Vortrag. "Aufgaben einer Freiw. Feuerwehr". Er gab Erklärungen über die Zusammenarbeit zwischen Gemeindevertretungen und Feuerwehr, über die Feuerwehrverbände und die Krankheit- und Unfallversicherungen im Dienste. Ferner wies er darauf hin, das die Freiw. Feuerwehren durch Ihre Organisationen, Behörden und die Brandenburgische Feuersozietät mancherlei große Vorteile in ihren Bestrebungen genössen. Verschieden Anfragen über Beiträge und Arbeitszeitverlust werden im befriedigenden Sinne beantwortet. Auf die Frage des Vorsitzenden, wer nun, nach dem die letzte Aufklärung gegeben sei, der Freiw. Feuerwehr beizutreten gewillt sei,, erhoben sich 43 Gemeindeangehörige, die sich sofort einschrieben ließen.
(Der Mitgliederzuwachs hat seit dem schon weiter bedeutend erhöht. D.B)
Der Vorsitzende Knöfel ersuchte nun die übrigen Gemeindeangehörigen, das Zimmer zu verlassen, damit der neue Verein sich sofort bilden könne und übertrug die Leitung dazu dem Gemeindevertreter Schönfeld. Als Oberführer der Wehr wurde Bäckermeister Julius Michelko und als dessen Stellvertreter Heinrich Lehnigk gewählt. Spritzenführer Schneidermeister Köbel, Stellvertreter Weber Karl Bagenz, Obersteiger Paul Matuschka, Stellv. Emil Winzer, 1. Schriftführer Willi Winzer, 2. Schriftführer Reinhold Bulk, Kassierier Franz Schenka. Zwei langjährige Mitglieder der Freiw. Sanitätskolonne Cottbus, hier am Ort ansässig und Mitglieder des Vereins August Kottlick und August Krautz wurden einstimmig als Sanitäter gewählt. Hierauf übertrug Schönfeld dem neugewählten Oberführer Michelko die Leitung der Versammlung. Alle 4 Madlower Wehrleute gaben noch instruktive Belehrungen, worauf zum Sonnabend nachmittag 4 Uhr die Mitglieder zur ersten Spritzenprobe bestellt wurden. Dieselbe hat denn auch unter Beteiligung sämtlicher Mitglieder unter Leitung zweier Madlower Führer, Paul Noack und Herm. Muschick stattgefunden. Die Spritze erwies sich als ein sehr gutes Gerät, die, nach dem Urteile der Madlower Herren als eine der besten Spritzen der Umgebung bezeichnet werden kann. Es mangelt noch an Schlaumaterial, dessen Beschaffung als eine der wichtigsten Aufgaben, trotz der ungeheuren Preise 1 Meter 100 - 130 Mark, betrachtet wird.

In modernen Rollregistraturen verfügt Stefan Kober über fast einen Kilometer Cottbus-Dokumente im Stadtarchiv in der Bahnhofstraße, weitere an Auslager-Orte. Trotzdem muss er sich mitunter auf den Weg nach Potsdam machen, um - wie im Fall der Feuerwehr-Gründungen - Gewissheit zu haben Foto: H.

 

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