aus dem Hause Cottbuser General-Anzeiger Verlag GmbH

Zugunsten der Honorare die Sparpunkte finden
Heidrun Grünewald: Wir brauchen eine Ausfinanzierung unserer Leistungen in der Daseinsvorsorge
Ulla Schmidt: Sagen Sie mir, wo Geld zum Fenster raus geht, dann stecken wir es in die Honorare

Cottbus (gg). Ärzte, Klinikleitungen, Personalräte, Patienten - das Publikum war bunt gemischt im Hörsaal des Carl-Thiem-Klinikums am Donnerstag. Fragen an Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt kamen deshalb auch aus allen Bereichen.
Pflegenotstand
Die zunehmende Überforderung der Pflegekräfte (z.B. eine Schwester für 30 Patienten im Nachtdienst) sieht die Ministerin mit Sorge: „Bei den Klinikärzten gab es in den letzten Jahren einen Zuwachs von 18 Prozent und bei der Pflege einen Abbau von 15 Prozent. Das führt zu ungünstigen Aufgabenverschiebungen. Und: beim Personal wird zuerst gespart, weil es der größte Kostenfaktor ist. Mit den Tarifverhandlungen wird das auch nicht einfacher - da bleibt noch viel zu tun! Ich nehm die Sorge mit!“
Pharmalobby
Einen Einfluss auf die Zulassungspraxis der Pharmakonzerne durch die Politik gäbe es nicht, sagt Ulla Schmidt. Da wird beantragt bei Instituten und genehmigt nach Sicherheitskriterien ganz ohne politischen Einfluss. Das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit prüft seit kurzer Zeit das Kosten-Nutzen-Verhältnis bei Arzneimittel: „Es geht nicht länger, dass fünf Prozent mehr Wirkung mit 300 Prozent Preissteigerung verbunden sind!“ Dafür bekommt die Ministerin spontanen Applaus. Auch Kassen und Ärzte seien in der Verantwortung, vernünftige Preisverhandlungen zu führen. Der Patient könne das über die Nachfrage nach zuzahlungsfreien Medikamenten in der Apotheke mit steuern.
Ärztemangel
Ulla Schmidt kennt das Problem: Deutschland habe nicht zu wenige Ärzte, sondern nur eine ungerechte Verteilung derselben. Mit der neuen Honorierung ab 2009 bekommen Ärzte deshalb in unterversorgten Regionen höhere Abschläge. Dennoch sei mehr nötig, um den Notstand zu lindern, sagt Ulla Schmidt. Schon während des Studiums sollten Praktika organisiert werden, die Bindungen schaffen. Und die Bundesländer sollten Stipendien ausloben, die an die Zusage gekoppelt sind, dass die jungen Mediziner einige Jahre in der Region bleiben. Hätten sie erst Familien gegründet, fiele das Weggehen dann schwerer.
Klinik-Privatisierungen
Für Trägervielfalt, aber gegen den Ausverkauf der Gesundheitsvorsorge plädiert Schmidt. Ein Viertel der deutschen Kliniken sind in privater Trägerschaft und entlasten die Haushalte durch Privatkapital. Höher sollte der Anteil nicht sein, so Schmidt.
Zukunft mit Polen
Über gelungene Beispiele grenzüberschreitender gesundheitspolitischer Kooperationen zwischen den Niederlanden, Belgien und Deutschland berichtet die Ministerin aus ihrer Heimat-
gegend und macht den zuhörenden Medizinern Mut, das auch mit Polen zu versuchen.

Zu Gast bei Gabi Grube waren:


Heidrun Grünewald, Geschäftsführerin des Thiem-Klinikums (l.) nutzte den Besuch von Ministerin Ulla Schmidt (r.), um
auf die drohenden Defizite bei der Finanzierung hinzuweisen.
Rund 7 Millionen Euro fehlen ihr für 2008


Kommende Woche
reden wir über:

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„Der Sog der Arbeit“ zum Fachkräftemangel mit Reinhard Kröning (Bundesagentur für Arbeit) und Steffen Sickert (privat. Jobvermittler)

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