aus dem Hause Cottbuser General-Anzeiger Verlag GmbH

Hier irrte Martin Luther
Die wendische Sprache am Geschichtsstammtisch

Cottbus (h.) Das Wendische erlebt in der Niederlausitz eine neue Blütezeit. Anna Kossatz, Sorben-Wenden-Beauftragte im Rathaus, freut sich darüber und führt Beispiele an: Seit nun 22 Jahren zieht alljährlich der Zapust-Zug des Niedersorbischen Gymnasiums zunehmend erfolgreich durch die Stadt. „Nie hätte früher jemand glauben mögen, dass sich dieses schöne dörfliche Ritual in der Stadt durchsetzen kann“, sagt die diplomierte Slawistin und Kultur- wissenschaftlerin aus Drehnow. Seit 1987 gibt es regelmäßig wendische Gottesdienste und jetzt endlich auch ein neues, zeitgemäßes wendisches Gesangbuch, in das auch rein wendische Lieder aufgenommen sind.
Nach dem II. Weltkrieg habe es einige gute Signale für den Fortbestand der sorbischen (in Sachsen) und wendischen Kultur und Sprache gegeben, erläuterte Anna Kossatz beim jüngsten „Geschichtsstammtisch“ im DoppelDeck. Befreiend nach den dunklen Zeiten des Verbots oder des folkloristischen Missbrauchs des Wendentums war 1948 das sächsische Gesetz zur Wahrung der Rechte der sorbischen Bevölkerung. Es ging mit Gründung der DDR 1949 als Paragraph 11 in die Verfassung ein. Der Brandenburgische Landtag beschloss 1951 eine entsprechende Verordnung.
Damals war die sorbisch-wendische Welt noch heil. In Bautzen und auch in Cottbus wurde das sorbische bzw. wendische Abitur komplett in dieser Sprache abgelegt. Seit 1960 ist sorbisch nur noch eine Fach-Sprache, also Fremdsprache am Niedersorbischen Gymnasium; der sonstige Unterricht findet in deutsch statt.
Aber in der Frage der wendischen Sprache irrte schon Luther, der vor 500 Jahren sagte, in 100 Jahren spreche kein Mensch mehr wendisch. So wie er es für die Deutschen nötig fand, dass Gläubige das Wort Gottes in ihrer Muttersprache statt in Latein lesen sollten, sorgten auch Wenden bald dafür, dass das Neue Testament in wendisch herauskam. Auch ein wendisches Gesangbuch ist seit 1760 regelmäßig in Cottbus verlegt worden. Jetzt ist nach fast 100 Jahren Pause eine neue Ausgabe entstanden.



Interessiert folgen Gäste des Geschichtsstammtisches im Presse-Café DoppelDeck in der Cottbuser WernerPASSAGE / Bahnhofstraße den Ausführungen zur wendischen Tradition. Immer am 3. Montag findet diese Veranstaltungsreihe statt. Beginn ist 19.30 Uhr, der Eintritt ist frei Foto: Hnr.

 

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