aus dem Hause Cottbuser General-Anzeiger Verlag GmbH

Preußen verirren sich nach Krakau
Ein musikalisch begeisternder „Bettelstudent“ am Cottbuser Staatstheater

Cottbus (GHZ). Dem dreisten Schulterkuß folgte der Schlag mit dem Fächer. Ins Gesicht! Man sieht es nicht und will es auch nicht glauben. Den Fächerschlag schon, doch einen Schulterkuß? Von diesem gar nicht sächsisch-lustvollen, sondern eher preußisch-pikiert referierenden Oberst des Fritz Hille? Kategorisch: Nein! Er überzeugt auch mit seinen ersten gesanglichen Ansätzen noch nicht, klingt leicht belegt. Aber dann blüht er auf, findet sich in einen - immer noch sehr preußischen - Ollendorf, der dieser Operette Glanz und
wahre Größe gibt. Immer wieder dankt das Publikum mit Beifall - der Abend ist geglückt.
Warum der so gern farbenfrohe sächsische Adel in den Preußenfarben schwarz-weiß steckt (Ausstattung Gundula Martin), erschließt sich nicht genau. Vielleicht ist es die konseqente Fortschreibung des kühlen, meist blauen, betont sachlichen Bühnenbildes, das die Wärme der Stimmen und handelnden Charaktere verstärken soll.
Da haben Regisseur Hauke Tesch und Christian Möbius als musikalischer Leiter dann aus dem Vollen schöpfen können. Der Klassiker von Carl Millöcker, schon 1880 in Wien uraufgeführt, ist glänzend besetzt. Das Premierenpublikum erlebt schönste, beglückende Operettenstimmung und tendiert im letzten Bild gar zum Mitsingen und Mitklatschen. Das Ensemble hat behagliche Gefühle entzündet und verdient sich jubelnden Beifall.
Kammersänger Fritz Hille ist die beste Besetzung, die sich im deutschen Osten für die Ollendorf-Partie finden lässt. Mit Jens-Klaus Wilde wird ihm ein gesanglich ebenbürtiger, spielerisch fast überlegener Bettelstudent zum Herausforderer. Glänzend auch sein rebellischer Gefährte Hardy Brachmann, der die Sachsen aus Krakau treibt, damit die adligen Schönen von ihrer Kartoffel-Kost befreit werden. Ihn hat der Regisseur stark inszeniert und damit unaufgesetzt „die Moral“ vermittelt: Kleine galante Tricks verändern nix, kluger Eifer wie der des pfiffigen Jan schon. Seine Erwählte ist die wieder großartige Gesine Forberger. Anna Sommerfeld strahlt voller Glück und Aufrichtigkeit für ihren Studenten - ganz gleich, ob arm oder reich. Sie, die neue Grünebaum-Preisträgerin, singt einen hinreißenden Sopran.
So soll Operette gemacht sein: solide, gekonnt, hinschwebend in Leichtigkeit. Schön! J.H.



Ja, man muss schon sehr galant sein zu dem schöneren Geschlecht... Dem ahnungslos sächselnden Gefängniswärter Enterich (Frank Wustlich, 2.v.r.)) mag das schnuppe sein, aber Oberst Ollendorf (Fritz Hille, Mitte) wird es lernen müssen. Szene aus einem etwas zu preußisch ausgestatteten köstlichen „Bettelstudent“ in der Regie von Hauke Tesch Foto: Kross

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