Cottbus
(gg). Nein, ärgerliche Anrufe hätte es nicht gegeben
nach der Veröffentlichung der konkreten Vattenfallpläne
in Bagenz-Ost, Spremberg-Ost und vor allem Jänschwalde -Nord,
sagt Landrat Dieter Friese: Ich habe in 17 Landratsjahren
gelernt: man soll sich selbst nicht so wichtig nehmen! Er
hält es für normal, dass die Betroffenen jetzt erstmal
die Fakten sortieren, bevor sie sich Gehör verschaffen. Das
bahnt sich an, denn am Montag soll in Potsdam eine Volksinitiative
gegen neue Braunkohletagebau starten: 20 000 Unterschriften erhofft
sich René Schuster mindestens: Die Linke und die
Bündnisgrünen sind dabei und wenn sich soviele gegen
die Pläne aussprechen, das kann auch die Landesregierung
nicht ignorieren!
Dabei sei die Forderung der Volksinitiative schon ein Kompromiss.
Schuster: Wir können nicht verhindern, dass genehmigte
Tagebaue ausgekohlt werden, auch das Kraftwerk Boxberg wird wohl
bis 2050 laufen - aber darüberhinaus brauchts keine
neuen Aufschlüsse und Kraftwerke!
Das bezweifelt nicht nur Landrat Dieter Friese, sondern auch IG
BCE-Vizechef Ulrich Freese, der mit Oberbürgermeister Frank
Szymanski dem Landrat den Rücken stärkt. Bei jedem Zahlenspiel
wird die Unsicherheit deutlich: so sehr regenerative Energien
auch wachsen - können sie bei jedem Wetter auch die Grundversorgung
sichern? Steigt nicht eher die Abhängigkeit von Öl und
Gas aus dem teuren Ausland?
Schuster zitiert machbare Alternativen aus der Leitstudie 2007Ausbaustrategie
Erneuerbare Energien, die das Bundesumweltministerium in
Auftrag gab und erntet trotzdem Kopfschütteln. Ihm liegt
Polemik nicht, er will bei wahren Zahlen bleiben und kann damit
nicht punkten, denn den Träumen von Machbarem stehen Emotionen
und Privilegien gegenüber. Zu groß sind die Hoffnungen,
die an regionalen Arbeitsplätzen in der Kohle hängen.
Und der Landrat will mehr: Ich habe den Auftrag, mit Vattenfall
und der Landesregierung etwas auszuhandeln, das den Kreis besser
stellt, als er ohne Braunkohleabbau da stehen würde!
Dafür setzt er auf einen Verhandlungsrat aus BTU, Szymanski,
IHK und Kreistagsabgeordneten, denn, so sagt er, das könne
der Braunkohlenausschuss nicht. Der sei für die einzlenen
Umsiedlungsfamilien zuständig, aber nicht für das, was
darüber hinaus geht. Bedenken, dass solch ein Sonderausschuss
wichtige Interessenvertreter wie die wendische Minderheit und
die Umweltverbände vor der Tür lasse, teilt Friese nicht.
Ob nicht wenigstens 1000 Meter Abstand des Bergbaus von den Orten
durchsetzbar wäre, wenn das Maß künftig auch für
Windräder gelte, provoziert René Schuster und gibt
dem Landrat noch einen Tipp: Wenn Vattenfall für jeden
gehobenen Kubikmeter Wasser die obligatorischen 10 Cent bezahlen
müsste, die jedes Wasserwerk entrichtet, dann flössen
20 Millionen Euro in die Landeskasse, die ausschließlich
der Region zugute kommen könnten. Der Landrat dankt
artig für den Rat. Doch das Bergbau-Privileg im gerade zu
überarbeitenden Wassergesetz ist geblieben. Schuster sieht
seine Vorbehalte bestätigt. Die Braunkohlelobby würde
nicht das erste Mal über die engagierten Umweltschützer
triumpfieren.
Und er bekommt Unterstützung von prominenter Seite, Graf
Hermann von Pückler spricht als Forstwirt: Die Hälfte
des Reviers Bagenz-Ost ist Wald, den ich voller Ethusiasmus bewirtschafte.
Wir denken langfristig - 30 Jahre sind im Forst fast nichts. Ich
brauche auch kein Geld, ich brauche Wald, um meine 18 Angestellten
zu beschäftigen. Die rekultivierten Flächen, die ich
gesehen habe, haben mich das kalte Grauen gelehrt. Das ist keine
lebenswerte Gegend mehr! Da bliebe viel zu fordern, meint
er.
Doch sein Forderungspulver will der Landrat an diesem Abnend noch
nicht verschießen.
Es sei ihm klar, dass Umsiedlungen einschneidende Veränderungen
bedeuten, er nähme auch alle Sorgen ernst, aber es würde
ihm täglich schlecht, wenn er Schilder lese, auf denen von
Vertreibung die Rede sei. Das beleidige diejenigen,
die, wie seine eigene Familie, Vertreibung erlebt hätten.
Vor sechzig Jahren.
Aus dem Publikum ruft ein betroffener: Wir können die
Umsiedlung nicht verhindern, also ist es wohl Vertreibung!
Ein ausführlicher Disput gleitet nun ins Publikum. Ob nicht
auch ein Miteinander denkbar wäre von Umweltschützern
und Energiewirtschaftlern, wird da gefragt. Ob nicht auch ein
Landrat im Schulterschluss mit Grüner Liga mehr einfordern
könnte. Aber die Mauern sind tief. Friese: Ich umgebe
mich nicht mit Kriegern, wenn ich zu Friedensverhandlungen gehe!
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Zu Gast bei Gabi
Grube waren:
Renè
Schuster, Grüne Liga, kontert: Wenn Stromriesen an
den Energiekonzepten mitstricken, muss man sich über fehlende
Voraussetzungen für erneuerbare Energien nicht wundern!
Spree-Neiße-Landrat
Dieter Friese sieht´s pragmatisch: Jeder will, dass
Strom aus der Steckdose kommt, aber wie er da hinein kommt, interessiert
offenbar keinen!
Das
vorsichtige Fazit dieser Runde:
:
Die Braunkohlepläne werden die Region in den nächsten
Jahren noch beschäftigen, eine Runde zum Thema wirft mehr
Fragen auf, als sie beantworten kann
:
Fehlende
Energiekonzepte in Bundes und Landesregierung lassen zu viel
Freiraum für Spekulationen und Begehrlichkeiten. Klare
Vorgaben, wohin will das Land bis 2050 kommen und wie erreicht
man dieses Ziel, würden Sicherheit für Bürger
und Konzerne bringen
:
Ein
Miteinander der Naturschützer und Energiewirtschaftler
sollte ausgerechnet in Brandenburg möglich sein: Schließlich
hat Ministerpräsident Matthias Platzeck seine Wurzeln selbst
in der Umweltbewegung
Kommende Woche
reden
wir über
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Warum
sind Brot und Milch so teuer? Mit Landwirtschaftsminister Dr.
Dietmar Woidke und Naturkosthändlerin Diana Lewandowski
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