Cottbus.
Das Thema interessierte nicht nur Naturschützer oder Jäger,
denn zur ersten Folge von Doppel:Punkt war das DoppelDeck
in der WernerPASSAGE am Donnerstag rappelvoll.
Der Frage Gehört der Wolf ins Jagdrecht?, war
abschließend zwar keine wirklich gültige Antwort anzufügen,
doch das Thema wurde von vielen Blick- winkeln beleuchtet.
Schaden oder nicht?
Jäger Lothar Fillmer rechnete hoch, wieviele Rehe ein Wolf
im Jahr erlegen muss, um satt zu werden: Wenn alle 10 bis
12 Wölfe im Spree-Neiße-Kreis 130 Rehe holten, wären
das ja 1 560 Rehe im Jahr. Ein Schaden von rund 87 000 Euro bei
den derzeitigen Wildpreisen! Die rund 600 Jäger im
seinem Zuständigkeitsbereich zwischen Forst und Spremberg
spürten schon, dass das Wild scheuer würde, nur noch
nacht-aktiv und schwer zu bejagen, deshalb habe man im letzten
Jahr den Abschussplan um 1 000 Rehe verfehlt, klagt er.
Biologin Ilka Reinhardt, interviewerprobt und sachlich, muss schon
gegen die Wortfindung protestieren: Das sind keine Schäden
- das ist Natur! Schließlich gehöre das Wild
niemandem.
Wanderwege
Tatsache aber sei, dass der Wolf nördlicher wandere, Beobachtungen
aus der Lieberoser Heide, die auch Lothar Fillmer ihr wieder schildert,
kennt sie bereits, es fehle lediglich an wissenschaftlichem Nachweis,
ohne den die diplomierte Biologin nichts als Tatsache akzeptiert.
Das Wandern liege außerdem in der Natur der Wölfe.
Zweijähriger Nachwuchs muss sich ein neues Revier und paarungsfähige
Partner suchen. Ausschließlich daraus sei auch das Einwandern
der Wölfe in der Lausitz aus Polen zu erklären. Gerüchte
über Kofferraumwölfe, die von Naturschützern
gezielt ausgesetzt würden, dementiert sei mit Hinweis darauf,
dass sich ähnliche Gerüchte überall dort verbreiten,
wo die Ansiedlung auf Skepsis stoße. Im Übrigen belegten
genetische Untersuchungen die zweifelsfreie Abstammung.
Lothar Fillmer hat sich aber bei solchen Begegnungen schon gewundert:
Der Wolf ist nicht menschenscheu - bedächtig ist er
mir gefolgt, hat meine Fährte aufgenommen, geschnuppert,
wo mein Rucksack stand....
Das wäre für junge Wölfe, neugierig und unternehmenungslustig,
auch nicht verwunderlich, beschwichtigt die Wolfsexpertin. Als
Ratschlag für solche noch seltenen Begegnungen sagt sie:
Sich bemerkbar machen, damit das Tier den Rück-zug
antreten kann oder still beobachten und genießen!
Grenzen der Fürsorge
Solcherart romantische Gefühle kann Lothar Fillmer nur bedingt
teilen: Natürlich ist das ein großartiges Erlebnis,
aber Grenzen sind für mich erreicht, wenn unfallverletzte
Wölfe per Operation wieder aufgepäppelt werden - das
sieht die Natur so nicht vor! Dafür seien inzwischen
Dam- und Rotwild dezimiert, vom Muffelwild bald nichts mehr übrig.
Im Publikum bekommt er raunend Zustimmung. Ilka Reinhardt setzt
dagegen, dass auch die einäugige Wölfin der Neustädter
Heide ihre Jungen aufgezogen hat und selbst ein dreibeiniger Wolf,
durch Unfall verletzt, sei noch putzmunter am Leben.
Mißtrauen dominiert
Noch ist das Misstrauen in die Naturschutzerverantwortung der
Jäger zu groß, um auch sie voll und ganz zu Hütern
der Wölfe zu machen. Mit einem Abschuss eines verletzten
Wolfs machen sich Jäger deshalb offiziell strafbar, obwohl
sie bei ihrer Jagdehre auch auf den Tierschutz vereidigt wurden.
Beide sind Naturschützer in diesem Sinne, definieren aber
die Ziele noch völlig verschieden.Das wird an diesem Abend
mehrfach deutlich.
Grenzenloser Wolf
Trotzdem will auch Ilka Reinhardt nicht auschließen, dass
bei Zunahme der Population weitere regulierende Eingriffe des
Menschen nötig werden könnten. Und hätten
wir einen Problemwolf, könnten wir auch jetzt
schon eingreifen! Noch aber sind die Ansiedlungserfolge
zu zerbrechlich, um über Abschuss zu diskutieren, meint sie.
Die Beoachtungen der Jäger aber könnten der offiziell
nur für Sachsen bestellten Wolfsschützerin helfen, auch
in Brandenburg bessere Erkenntnisse zu gewinnen. Aber hier klafft
nicht nur die Kluft zwischen Jägern und Wolfsschützern,
sondern auch die zwischen zwei unterschiedlichen Zuständigkeiten.
Das beklagen beide Seiten gleichermaßen. Fillmer: Es
muss festgelegt werden - länderübergreifend - wie wir
mit wievielen Wölfen zusammenleben wollen!
Eine gemeinsame Schulung von Wolfbeobachtern wäre dazu ein
erstes Ziel, das sieht auch die Bilogin so. Trotzdem sich schon
jetzte ein unübersehbares Wirrwarr an Zuständigkeiten
ergeben hat: Wir haben bald mehr Wolfsbeauftragte als Wölfe,
sagt sie mit leicht zynischem Unterton. Im Anschluss an die moderierten
Fragerunden entfacht sich im Presse-Café Doppeldeck noch
eine lebhafte Diskussion über ganz praktische Fragen wie
die effektive Abwehr von Wölfen für Schäfer bis
zur ethischen Frage: Obliegt dem Menschen das Recht, über
Leben und Tod einer Tierart zu entscheiden?
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Immer
Donnerstag , 19.30 Uhr
Ganz in
Rot und mit rundem Tisch zum Diskutieren präsentierte sich
am Donnerstag die erste Folge von Doppel:Punkt im
Presse-Café DoppelDeck. Jede Woche will der PolitPiano-Nachfolger,
der wieder von Gabi Grube (mitte) moderiert wird, zwei Gäste
mit kontroversen Meinungen an den Tisch bringen. Erste Gäste
zum Thema Gehört der Wolf ins Jagdrecht??waren
Biologin Ilka Reinhardt (re.) und Jäger Lothar Fillmer. In
der nächsten Runde, am 27. September, diskutieren Städteplaner
Prof. Heinz Nagler (BTU) und Gepro-Geschäftsführer René
Becker, der das Carl-Blechen-Carré baut, über die
Frage Formt nur der Kommerz unsere Innenstadt? Beginn
ist immer 19.30 Uhr
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