aus dem Hause Cottbuser General-Anzeiger Verlag GmbH

Gestörte Stille auf dem ‘Tempelberg’
Stadtverwaltung, Bürger, Vereine, Abgeordnete und Denkmalpfleger sind sich uneins über Heldenehrung und Gedächtnis an Opfer der Regime

Spremberg (h). Tempel sind Kultbauten. Und die kommen - im weitesten Sinne - in unserer Stadt seit Jahren zunehmend ins Gerede. Versammelt in unterschiedlichster Weise auf dem Georgenberg, sind sie den einen zu viel, anderen zu wenig an der Zahl, dritten wiederum nicht würdig genug. Eigentlich handelt es sich um Gräber und schlichte Gedenkstätten - aber der Streit darum hat der malerischsten Erhebung der Stadt bei Spöttern schon den Beinamen „Tempelberg“ eingebracht.
Gerangel mit Tradition
Der Streit um das Gedenken ist nicht neu. Zu DDR-Zeiten war den Oberen eine Stele zum Gedenken an die Opfer des Krieges 1870/71 ein Dorn im Auge; sie wurde umgestoßen und bald entfernt. Noch Brutaleres widerfuhr den durchaus bewahrenswerten Resten der Georgenkapelle aus dem 13.(!) Jahrhundert. Eine Panzerübung machte ihr den Garaus. Gerade noch geduldet wurde der Bismarckturm in jener Zeit, wenngleich auch die französische Kanone verschwand, die bei ihm stand.
Immerhin: Gut harmonierend mit dem krönenden Bergturm, blieb ein granitgefasster Gedenkraum erhalten, der nun im Blickfeld des Spremberger Tempelberg-Dramas steht.
Namen und Namenlose
Schon im März 2000 fassten die Stadtverordneten den einstimmigen Beschluss, die Vorderseite des Quaders, auf dem eine Bronzefigur, geschaffen vom Cottbuser Künstler Heinz Mamat, liegt, mit einer Bronzeplatte zu versehen. Darauf sollte stehen: „Die Stadt Spremberg gedenkt aller Opfer von Krieg und Gewalt im 20. Jahrhundert.“ Mit diesem Satz würden allerdings eingemeißelte Namen besonders „wichtiger“, damals von der SED-Kreisleitung nominierter Opfer, überdeckt. Das sollte keinesfalls gegen ihr Andenken gerichtet sein, aber viele Spremberger überlegten sich, dass solch eine Hervorhebung gegenüber namenlosen Opfern nicht gerecht bleiben könne. So stimmten auch die Abgeordneten der damaligen PDS einmütig für die Platte mit dem weitreichenden Gedenksatz.
Doch es passierte zunächst nichts. Das gab der Unteren Denkmalbehörde 2003 die Gelegenheit, sich auf die Obere Denkmalbehörde zu berufen und die Veränderung des Denkmals zu untersagen. Ob den Untersagern von Amts wegen klar war, dass der Beschluss von 2000 nur die „Veränderung“ des wahren Denkmals einigermaßen korrigieren wollte? Denn auf dem Stein hatte ursprünglich gestanden: „Unseren Gefallenen - Sie werden auferstehen“. Zu fromm für Atheisten. Sie meißelten ihnen genehme Namen in Stein und schmolzen die Namenstafeln der im I.Weltkrieg Gefallenen zu anonymeren Reliefs um, die jetzt an den Mauern hängen. Welches Tempelbild ist nun das Wahre?
Die Behörde riet, für weitere Opfer eine Tafel an die Rück-seite des Quaders zu heften, doch selbst das wurde durch sie selbst 2005 wieder untersagt. Nun sollte gar ein weiteres (Tempel-)Denkmal für die Opfer des Stalinismus oben neben dem Bismarkturm, in Sichtweite zu dem mit Jürgen von Woys-kis Handschrift in den 1970er Jahren angelegten sowjetischen Ehrenfriedhof, entstehen. In Augenhöhe auch mit den Gräbern deutscher Soldaten auf dem sich ständig erweiternden Umbettungsfriedhof.
Ein Tempel-Tohuwabohu, fand nun auch Altbürgermeister Egon Wochatz als Vorsitzender eines Fördervereins zur Neugestaltung des Georgenbergfriedhofs. Er bat Kultuministerin Prof. Johanna Wanka (CDU) mit einem Schreiben vom 22. 8.2006 um ein klärendes Wort. Ein gutes Jahr ist vorbei - die Antwort blieb aus.
Doch auf dem Friedhof wird weiter gebettet - diese Woche mit erneut zehn Gräbern - und die Opfer haben Anspruch auf Ehre und Gedenken. So ergreift nun der Verein Pro Spremberg die Initiative und will zusammen mit dem Georgenbergverein zu einer Lösung lenken.
„Die Stadt Spremberg gedenkt aller Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft“ könnte der Schriftzug lauten, der allen gerecht wird. Oder ist es wirklich nötig, die Gebrechen eines Jahrhunderts nach Buchhaltermanier zu sortieren?

Wie soll dieser Granitstein umgestaltet werden - darüber streiten derzeit die Abgeordneten

Wie soll dieser Granitstein umgestaltet werden - darüber streiten derzeit die Abgeordneten Foto: CGA-Archiv

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