aus dem Hause Cottbuser General-Anzeiger Verlag GmbH

Schöller mit „gn“
Lange nicht so gelacht: Irren-Pension im Theater

Cottbus. Je hingebungsvoller sich Eugen, verhinderter Schauspieler, bemüht, das „l“ in „Fliege“ oder „Schöller“ zwischen Zunge und Gaumen zu quetschen, umso klangvoller wird es zum „gnnn“, zur „Fniege“ und eben zu „Pension Schönner“. Sie machen die ganze Substanz dieses Schwanks aus, die hemmungslos überzeichneten einzelnen Typen, die sich lebensfroh oder lebensmüde, voyeuristisch oder ein bißchen verrückt, karrierebesessen oder einfach nur verknallt begegnen.
Wer abfällig-distanziert greint wegen der „ollen Kamelle“ am Staatstheater, tut der Sache Unrecht. Der 1890 in Berlin uraufgeführte Schwank hat sich lebendig erhalten und in mehreren Filmen gute Schauspieler herausgefordert. Auf dem Theater dürfte er zumindest bis zur Premiere zur Qual werden. Ist es nicht schier unmöglich, wochenlang armeschwenkend, hüftverrenkend, grimassenschneidend und wortverdrehend über Probebühnen vor dunklem, leeren, tiefschweigendem Parkett zu agieren? Dabei noch qualitätssteigend Feinheiten ausformend?
Schwank lebt vom Lachen des Publikums. Das heißt, er muss in totem Zustand geboren werden. Wenn er dann schon zur Premiere ein solches Feuerwerk an Komik entfacht wie diese Peter-Schroth-Inszenierung, gleicht das einem Wunder.
Kompliment also dieser Lappalie, aufgeführt in schönen Jugendstil-Kulissen von Hans Ellerfeld und Szene für Szene prächtig parodiert von wahren Könnern ihres Fachs.
Antreiber der?Geschichte und über sich selbst hinauswachsender Provinzler ist Thomas Harms als Klapproth. Die „Irren“, die er sucht, findet er beim Pensionsbetreiber Schöller (hier ein zurückhaltender Hans-Peter Jantzen). Da sind der Held der vergessenen Schlachten (Wolf-Dieter Lingk mit steifem Nacken), die ganzkörperschreibende Dichterin (Susann Thiede mit fast akrobatischer Gestik), der sich selbst überholende Weltreisende Professor (weit ausgreifend Gunnar Golkowski) und der anne Knassiker l-frei deknamierende Eugen (Hardy Halama zunehmend verzweifelnd), außerdem in köstlichen Studien Gabriele Lohmar, Peter Princz und Teresa Waas.
Befreiend schön fand’s das Publikum. Wahrhaftig! J.Hnr.



Köstlich die verkörperte bunte Welt
der Dichtung als Frau Zillertal
(Susann Thiede) und der voyeuristische
Philipp Klapproth (Thomas Harms)

Foto: Marlies Kross

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