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Gehwegsteine gegen das Vergessen
Im Juli werden weitere 20 „Stolpersteine“ gelegt / Recherchen sind mühsam

Ein Mensch sei erst vergessen, wenn sein Name vergessen ist, meint Gunter Demmig. Er gilt als Erfinder der „Stolpersteine“, von denen es inzwischen 9 000 in 190 Städten gibt. Elf auch in Cottbus. Weitere 20 werden im Juli in Gehwege eingelassen. Am Geschichtsstammtisch diesen Montag im Presse-Café DoppelDeck sprach Museumsdirektor Steffen Krestin darüber mit Gudrun Breitschuh-Wiehe. „Per Zufall“ habe sie die Aktion entdeckt, nämlich bei der Lektüre im Zug. Schnell waren ihre Freunde vom Bündnis 90 / Die Grünen für die Sache gewonnen, und die Fraktion brachte 2005 einen Antrag zur Projektförderung in der Stadtverordnetenversammlung ein. Die Cottbuser Stolpersteine - wenn auch zunächst nur elf - haben ihrem Namen Ehre gemacht. Einigen Ewiggestrigen waren sie Provokation, die große Mehrheit der Cottbuser aber lebt nun einsichtig mit etwas mehr Erinnerung. Zerstörung, so kommentiert Fraktionsvorsitzender Hans-Joachim Weißflog, habe die Spendenfreudigkeit und die Aufmerksamkeit für die winzigen, nur 10 mal 10 Zentimeter großen Messing-Denkmale, noch verdoppelt.
„Die Spendenlage“, sagt Gudrun Breitschuh-Wiehe, „ist, verglichen mit anderen Städten, gut in Cottbus, die Datenlage aber sehr schlecht.“ Mit dem niedergebrannten Rathaus sind bei Kriegsende die Einwohnermeldelisten der Stadt verschwunden, und so fällt es schwer, den Verbleib verfolgter Menschen nachzuvollziehen. Der Historiker Krestin betont, dass geschichtliche Genauigkeit natürlich Bedingung des Handelns bleiben müsse. „Wir sind da naiv herangegangen“, räumt seine Gesprächspartnerin ein. Aus dem Internet waren schnell 750 Namen aufgelistet von Personen, die Opfer der Nürnberger Rassengesetze hätten sein können. Nähere Betrachtung ergab, dass noch Lebende dabei waren oder Schicksalswege sich nicht nachvollziehen ließen.
So wurde das Engagement für die Stolperstein-Idee zu einem bedeutenden Forschungsprojekt. „Wir wollen es ja nicht bei den prominenten Opfern belassen, für die es schon Straßennamen und Denkmale gibt. Es geht auch um noch namenlose Mitbürger unserer Stadt, deren letzten frei gewählten Wohnort wir finden möchten“, erklärt die studierte Biologin. Von 1942 sei ein letzter Transport in eines der NS-Lager dokumentiert. Sorgsames Forschen hat zu fast vergessenen Namen geführt. Sie werden ab Juli wieder zu dieser Stadt gehören - dort, wo sie unter Cottbusern lebten.
95 Euro kostet ein Stolperstein. Über die Spendenmöglichkeiten und Hintergründe informiert www.stolpersteine.com



Nur 10 mal 10 Zentimeter groß sind die „Stolpersteine“ aus Messing, die vor den Häusern verfolgter und gepeinigter Cottbuser Mitbürger in die Gehwege eingelassen sind - hier die Gedenkplatten für Bewohner der Bahnhofstrasse 51
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