aus dem Hause Cottbuser General-Anzeiger Verlag GmbH

IHK Cottbus in dieser Woche: Quo vadis Deutschland? - Reformpolitik zwischen Wunsch und Realität
Westerwelle stört die Bundes-Party-Stimmung
FDP-Chef will noch vor 2009 regieren, denn: „Wir holen nicht auf, wir fallen nur langsamer zurück“

Cottbus (GHZ). „Erstmals seit Jahren spüren wir eine Konjunkturbelebung und darauf aufbauende Aufbruchstimmung“, leitetet IHK-Präsident Ulrich Fey Dienstag einen wirtschaftspolitischen Vortragsabend im BestWestern-Hotel ein. Unverzüglich setzte er jedoch das Aber hinzu: Statt guter Signale kämen von der Regierungskoalition zermürbende Diskussionen und klägliche Reförmchen. Die Politik habe sich, so Fey, von der Absicht verabschiedet, Steuerpolitik einfach, transparent und gerecht zu gestalten. Lösungsansätze gebe es, sie würden aber im Parteienstreit zerrieben; Ideen würden bekämpft, wenn sie nicht aus den eigenen Reihen kämen.
Verbale Steilvorlagen für Gastredner Dr. Guido Westerwelle, Vorsitzender der Bundes-FDP und Oppositionsführer im Deutschen Bundestag. Der legte, an ironischen Querschlägern nicht sparend, heftig nach. „Möglicherweise zwei Prozent Wirtschaftswachstum seien in den Augen deutscher Patrioten wohl erfreulich, räumte er ein, der europäische Durchschnitt liege aber höher und in der Welt seien vier bis fünf Prozent Wachstum aktuell. Das heißt für Westerwelle: „Wir holen nicht auf, wir fallen nur etwas langsamer
zurück!“ So gesehen sei die Frage, ob wir einen frühen Merkel- oder späten Schröder-Aufschwung erleben hinfällig. Momentanes Wachstum sei wahrscheinlich mehr dem milden Wetter als der Koalition zuzuschreiben. Er, Westerwelle, wolle die Party der Regierung nicht stören, müsse aber zu größter Dringlichkeit bei Strukturreformen mahnen. „Deutsche Steuerpolitik stellt doch einfachste wirtschaftliche Grundregeln infrage: Erstens muss sich Leistung lohnen, zweitens muss, wer arbeitet mehr verdienen als jemand, der nicht arbeitet. Beides funktioniert nicht“, erklärte der FDP-Vorsitzende und frozzelte: „Es scheint unterdessen ein vor teutonischen Ohren streng zu hütendes Geheimnis zu sein, dass nur Steuern zahlen kann, wer Arbeit hat.“
Er kritisierte kräftig die als Lohn-„Nebenkosten“ klein geredeten viel zu hohen Lohnzusatzkosten und andere politikgemachte Hinderungsgründe für einen Einstellungsboom. Ein Lob erteilte der als eingefleischter Gegner des Gewerkschafts-Funktionärswesens bekannte Wirtschaftsexperte den moderat agierenden Tarifpartnern.
Für den Mittelstand forderte Westerwelle erheblich verbesserte Bedingungen. Wenn die Regierungskoalition jetzt die Bürokratiekosten um 60 Millionen Euro senken wolle, sei das eher eine kabarettistische Nummer angesichts von 46 Milliarden (!) Euro jährlicher Bürokratiebelastung für den Teil der Wirtschaft, der die meisten Jobs schaffen könnte. Weniger staatliche Steuerung, mehr privater Spielraum - hier liege sein Schwerpunkt „nach Eintritt in die Bundesregierung, vermutlich noch vor 2009.“ Westerwelle macht keinen Hehl daraus, dass er der Koalition keine lange Zeit mehr einräumt. „Die nehmen mir als Stimme der Opposition jetzt schon die Arbeit ab. Mit Ausdrücken bewerfen die sich...!“
Die derzeitige Regierung flicke nur an alten Systemen; die FDP sei für neue Systeme. Die Rentenerhöhung auf 67 Jahre sei beispielsweise für viele nur eine Verlängerung von Arbeitslosigkeit um zwei Jahre. Die Gesundheitsreform habe mit dem beschlossenen Gesundheitsfonds aus einer Bürokratie (der Krankenkassen) zwei gemacht, was zu weiterer Verteuerung der Versorgung führe. Es sei besser, kein Gesetz zu machen, als ein schlechtes, argumentierte Westerwelle, „und wenn schon neue Verordnungen, dann bitte mit Verfallsdatum, wie in anderen Ländern“. So sei ein Prüftermin für Gesetzesaktualität garantiert, der nicht nur für die wilhelminische Sektsteuer, die einst zur Finanzierung der längst untergegangenen kaiserlichen Flotte eingeführt wurde, überfällig.
Trotz konzentrierter Kritik appellierte Westerwelle zusammenfassend an die Unternehmer: „Wenden sie sich nicht ab von der Politik. Denn der Platz, den Sie verlassen, bleibt nicht frei. Ob er gut besetzt wird für unser Land, ist nicht immer sicher.“
Eine persönliche Frage zum politischen Weg von Friedrich Merz, der alle CDU-Ämter niederlegt, beantwortete Westerwelle, dem das Publikum zutraut, dass er Merz gern auf FDP-Seite sähe, ausweichend. Er sei mit Merz seit Studentenzeiten gut befreundet. „Wenn ich hier erzählte, wann und worüber ich zuletzt mit Merz telefoniert habe, hätten Ihre Zeitungen dicke Schlagzeilen...“
Unter Zeitdruck hinwegeilend, erhielt Westerwelle viel Beifall. „Ein anregender Wirtschaftsabend“, fand die Mehrheit der Teilnehmer dieser IHK-Veranstaltung. J. Heinrich

Liberalen-Treffen am Rande eines Cottbuser IHK-Forums am Dienstag dieser Woche: Guido Westerwelle mit Matthias Schulze, Fraktionsführer in der Stadtverordnetenversammlung,  Jens Lipsdorf, stellvertretender Kreisvorsitzender der FDP, und  Jürgen Türk, Kreistagsabgeordneter

Liberalen-Treffen am Rande eines Cottbuser IHK-Forums am Dienstag dieser Woche: Guido Westerwelle mit Matthias Schulze, Fraktionsführer in der Stadtverordnetenversammlung,
Jens Lipsdorf, stellvertretender Kreisvorsitzender der FDP, und
Jürgen Türk, Kreistagsabgeordneter
Foto: Hnr.
zurück...