Cottbus
(gg). Simona Gollasch liebt ihren Beruf. Trotzdem. Seit 1992
arbeitet sie bei der Telekom, später T-Com, dann Vivento,
heute VCS. Dreimal haben die rund 300 Mitarbeiter des Servicecenters
am Ostrower Damm schon Firmenverkäufe und Betriebsübergänge
hinter sich, per 1. April werden sie an die walter-service
comcare verkauft. Dann stehen die bisher gravierendsten
Einschnitte ins Haus. Statt bisher 12 bis 14 Euro sollen die Mitarbeiter
ab 2008 nur noch 5,11 Euro pro Stunde verdienen.
Die kleinen Löhne stehen aber bei den rund zehn Ansiedlungen,
die es in den letzten Jahren in Cottbus gab, aber nicht an erster
Stelle der Entscheidungsfaktoren, sagt Vinzenz Schwarz, der die
Investoren als Mitarbeiter der Entwicklungsgesellschaft Cottbus
beraten hat. Cottbuser sprechen akkurates deutsch und Brandenburg
fördert hier auch die Einrichtung der Center und Ausbildung
der Mitarbeiter excellent, außerdem haben wir geeignete
Gebäude, sagt er. Lohnunterschiede zwischen Ost und
West gäbe es außerdem weniger. Inzwischen müsse
sich Cottbus als bisher führender Standort der Branche in
Brandenburg vor allem bei den Arbeitskräften strecken: Motivierte
Mitarbeiter mit kaufmännischer Vorbildung oder Computer-Interesse
zu finden, wird immer schwerer, so Schwarz, der sich wünscht,
man würde mehr auf Vorrat ausbilden. Zertifizierte Callcenter-Agenten
bildet nur die IHK bisher aus. Die Nachfrage bei den Cottbusern
ist gering, das Image der Branche schlecht.
Mit mehr Bildung könnten auch höherer Löhne
durchgesetzt werden, meint der Wirtschaftsförderer
und betont, dass viel mehr als Telefonie zu erledigen ist. Technischer
Support, Kundendienst und schriftliches Kundenmanagement werden
inzwischen mitbearbeitet. Die Branche verzeichnet zweistellige
Zuwachszahlen im Jahr.
Es ist eine der Branchen, die uns die Türen einrennen
und eine Chance, die wir nutzen müssen. argumentiert
Schwarz und bemüht die Statistik: Nicht nur in Cottbus, auch
deutschlandweit würden wertschöpfende Arbeitsplätze
immer mehr durch Dienstleistungen verdrängt. Und der Service
darf nichts kosten. Nach dem Motto Geiz ist geil!
Das führt zu Dumpinglöhnen, die Simona Gollasch und
ihren Kollegen zu schaffen machen.
Von der Politik erwarten sie trotz vieler Bittbriefe wenig Hilfe.
Die Telekom hat schließlich diese Woche angekündigt,
45?000 Mitarbeiter in ganz Deutschland abzubauen. Die Ostdeutschen
haben weniger Beamte, deshalb ist hier der Abbau einfacher. Ein
Mindestlohn könnte das Problem entschärfen, hofft
sie und hat bei Stadt- und Landespolitikern viel Solidität
erfahren.
Im Publikum wundert sich Unternehmer Lothar Parnitzke über
die hohen Telekom-Löhne und vergleicht mit seinen engagierten
Mitarbeitern ohne Tarif- und Arbeitzszeitbindung.
Simona Gollasch bekommt Rückenhalt, ebenfalls aus dem Publikum:
Dass es in Ostdeutschland heute so ein gutes Kommunikationsnetz
gibt, liegt an diesen Mitarbeitern, jetzt werden sie abgefrühstückt
- das ist ungerecht! Wer soll den Eintritt im künftigen Freizeitbad
bezahlen und im Carl-Blechen-Carrè einkaufen gehen, wenn
nur 600 Euro Netto-Lohn gezahlt werden?, fragt ein Gast.
Er erntet Beifall und ein Contra: Für viele Callcenter-Mitarbeiter
aber ist der Job ein Ausstieg aus Hartz IV, argumentiert
Vinzenz Schwarz. Sie sind wieder im Arbeitsalltag, haben
Kontakte und Karrierechancen! Applaus gibt es dafür
nicht, aber auch darüber wird nachgedacht an diesem PolitPiano-Abend.
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Simona
Gollasch vom Betriebsrat der Vivento Customer Service in regem
Gedankenaustausch mit Vinzenz Schwarz von der Entwicklungsgesellschaft
Cottbus
Foto: Haberland
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