aus dem Hause Cottbuser General-Anzeiger Verlag GmbH

Keine Angst vor frischem Wind
Manfred Stolpes Brandenburg-Leitsatz gilt für Cottbus: Am Mute hängt der Erfolg / Rat des Mentors: Die Stadt braucht ein Gesicht nach außen

Cottbus (h.) Seit einem Jahr genießt Manfred Stolpe, vielfach als „beliebtester Politiker Ostdeutschlands“ notiert, den Ruhestand. In deutsch-russischen und deutsch-polnischen Gesprächskreisen und als Bewahrer „gebauter Kultur“ in Gestalt brandenburgischer Schlösser und Herrenhäuser wirkt er im Ehrenamt, vielfach zusammen mit Günther Jauch. Der Stadt Cottbus bleibt er in besonderer Weise eng verbunden, gestand er Donnerstagmorgen bei einem Redaktionsbesuch der GRÜNEN Heimatzeitung.
„Hier in Sachsendorf ist Deutschlands Stadtumbau erfunden worden“, erinnert sich Stolpe. „Mit Franz Müntefering, der damals Bundesbauminister war, gingen wir durch Sachsendorf, sahen die Leerstände und die kahlen Funktionsbauten früherer Kindergärten. Mir war klar, das würde nie mehr zu füllen sein, und ich mahnte, dass Kommunen und Länder mit der Aufgabe, die sich da türmte, überfordert wären.“ Mit Müntefering habe er Kanzler Schröder später auf ein Hochhaus in Schwedt geführt und den „schönen“ Panoramablick übers Häusermeer knapp kommentiert: Alles leer! In seiner Legende gewordenen unkonventionellen Art entschied Schröder gleich da oben: Das wird jetzt in die Hand genommen. „Heute“, so Stolpe, „ist das Ausmaß des Aufbaus Ost vor allem in den Städten wahrzunehmen, auch in Cottbus. In den Innenstädten wohnen mehr Menschen als zur Wende. Das nenne ich einen großen Erfolg.“
Noch nicht so fortgeschritten, aber richtig im Ansatz sei der Verkehrswegebau Richtung Ost. Auch dafür gilt Stolpe als wesentlicher Initiator. „Im westlichen Brandenburg waren die Wege schon paradiesisch, weil der Westen nach Berlin wollte. Wir brauchen aber dringend leistungsstarke Wirtschaftsadern bis nach Polen und Tschechien. Gerade auch für den Standort Niederlausitz.“ Das Tempo des Ausbaus der Straßen und Schienenwege reiche noch nicht, meint der Verkehrsminister a.D., obwohl Brandenburgs Strukturminister Frank Szymanski eben die Finanzierungspapiere für den Ausbau der Bahn Cottbus-Berlin unterschrieben hat. 63 Minuten soll die Fahrt von Cottbus später noch dauern - auf 160 km/h schnellem Gleis.
Falls Cottbus einen OB bekomme, der Erfahrung in der Planung von Infrastruktur habe, sei das ein Idealfall und der Stadt und ihren Ansprüchen auch angemessen, denkt Stolpe: „Cottbus hat Defizite in der Außenwerbung. Die Stadt braucht ein Gesicht hinaus ins Land, in die Republik, für ganz Europa.“ Und weiter: „Ich habe die Hoffnung, dass die Cottbuser urteilsfähig sind. Das haben sie zum Beispiel mit der Abwahl bewiesen. Das ‘große Bündnis’ ist nach meiner Beobachtung jetzt aber so etwas wie Angst vor frischem Wind.“ Solches Zaudern war dem Mentor vieler heranwachsender ostdeutscher Politiker immer fremd. „Am Mute hängt der Erfolg!“ bleibt sein Fontane-Leitsatz.
„Frank Szymanski hat mit seinen Direktkontakten die besten Voraussetzungen, kurzfristig das Richtige für Cottbus zu tun“, meint Stolpe. Als „taktische Sofortmaßnahme“ bezeichnet er das „Einklinken in den Flughafenausbau.“ Hier gebe es Millionenaufträge nicht nur fürs Baugewerbe, danach 40 000 zusätzliche Arbeitsplätze zu den 32 000, die das Berliner Luftfahrtwesen jetzt schon hat. Strategisch gehe es dann um Mittelstandspflege („Dort sind Fantasie und Ideen“) und enge Arbeitskontakte zu Großunternehmen und zu Hochschulen. „Klar bleibt: Oberster Wirtschaftsförderer ist der OB, und zwar jeden Tag; erreichbar - sagen wir - von 6 bis 24 Uhr, wenn’s drauf an kommt.“
Womit er, Stolpe, anfangen würde als OB? - Mit der Analyse im Apparat: Wer arbeitet gut? Wer hat den Kopf frei. Der bleibt, wird gefördert. Frank Szymanski hört’s und nickt.

Manfred Stolpe (r.) war diese Woche zum zweiten Frühstück zu Gast bei Verleger Jürgen Heinrich
Manfred Stolpe (r.) war diese Woche zum zweiten Frühstück zu Gast bei Verleger Jürgen Heinrich. Zur bevorstehenden OB-Wahl sagte der frühere Ministerpräsident und Sachsendorfer Direktkandidat: „Ich habe die Hoffnung, dass die Cottbuser urteilsfähig sind“

 

__________________________________________

MANFRED STOLPE (70) war von 1990 bis 2002 Ministerpräsident von Brandenburg, dann bis Oktober 2005 Bundesminister im Kabinett Schröder. Cottbus-Sachsendorf war 12 Jahre lang sein Direkt-Wahlkreis. Der Stadt eng verbunden ist der Kirchenmann Stolpe seit vier Jahrzehnten. Sein Engagement für Brandenburger ist mit der Verdienstmedaille der DDR, mit dem „Roter Adler“-Orden des Landes Brandenburg sowie vierfacher Ehrendoktorwürde honoriert worden.

__________________________________________

zurück...