Cottbus
(gg). Sechs Wochen nach der Bundestagswahl schaut die Republik
mit Spannung nach Berlin. Wer wird die Zügel künftig
in der Hand halten und wer bestimmt den Kurs? Cottbuser Politiker
setzen Hoffnung in die aufkeimende Konsensbildung. Auch wenn das
mitunter zu Lasten der Wahlversprechen geht: Die Mehrwertsteuererhöhung
wird kommen, weiß Reinhard Drogla, Fraktionschef der
SPD in der Stadtverordnetenversammlung und nennt alle, die an
das Gegenteil glaubten, blauäugig. Nicht immer ist es so
leicht, sich mit Berliner Positionen zu indentifizieren. Die Brandenburger
CDU musste erst in dieser Woche das schlechte Wahlergebnis in
geheimer Runde auswerten. Da spielten die Wortmeldungen
Brandenburger und bayerischer Politiker eine wichtige Rolle,
schätzt Marion Hadzik als Fraktionsvorsitzende der CDU in
Cottbus ein. Hinter leider verschlossenen Türen wurde handfest
geredet. Jörg Schönbohms angekündigter Rückzug
fand wohl wenige Bedaurer.
Verhalten ist die Begeisterung für eine Kanzlerin Merkel:
Ich habe sie nicht als Ostfrau im Wahlkampf wahrgenommen,
relativiert Reinhard Drogla die Erwartungen an die neue Spitze
mit ostdeutschen Wurzeln. Und Manchmal tut sie mir leid,
sagt CDU-Frau Hadzik.
Während sie in der großen Koalition die einzige Möglichkeit
zur Lösung der schweren Reformaufgaben sieht, nennt Drogla
sie das nötige Übel. Und das bezieht er
ausdrücklich auf Berliner Verhaltnisse, denn wenige Sätze
später lobt er die Zeiten, als im Cottbuser Stadtparlement
noch per Koalitionsvertrag zwischen SPD und CDU regiert
wurde. Beschlüsse durchzusetzen war da noch bedeutend
einfacher als in dieser Legislatur, sagt er. Im Stechschritt
an den kleinen Parteien vorbei geht heute nichts mehr, denn 14
CDU-Sitze und 9 SPD-Sitze reichen nicht für den Durchmarsch.
Und: Die eigentlich stärkste Fraktion der PDS mit 12 Sitzen
lässt die Situation anders erscheinen als in Berlin.
Hart wird es dann immer bei Personalentscheidungen,
räumt Marion Hadzik ein. Das hat vor allem die PDS erfahren
müssen, als Gundula Schmidt bei der Wahl zum Stadtverordnetenvorsteherposten
unterlegen war. Sympathien, wie die von ihr für die Kollegin
der benachbarten Fraktion rücken dann zugunsten der Fraktionsdisziplin
in den Hintergrund, resümiert Frau Hadzik. Und diese parteiübliche
Handlungsmaxime ist nicht mehr so selbstverständlich wie
früher, sagen beide übereinstimmend. Der Grund dafür
liegt in der personellen Zusammensetzung der Fraktionen: Die Wahllisten
haben sich auch für Nichtmitglieder geöffnet, Parteiendisziplin
ist so kaum noch durchsetzbar.
Die Meinungsvielfalt mit sieben Fraktionen aber hat auch gute
Seiten: Mehr als früher wird im Vorfeld sondiert, nach Verbündeten
gesucht, um unnötige Diskussionen in langen Ausschusssitzungen
zu vermeiden. Drogla praktiziert das seit langem mit den Finanzsprechern
aller Fraktionen in Vorbereitung auf schwierige Haushaltsdebatten.
Erfolgreich, erzählt er. Öffentliche Sitzungen sind
nach Marion Hadziks Geschmack zu wenig besucht. Sie redet von
Politikverdrossenheit, während Reinhard Drogla eher von Politikerverdrossenheit
sprechen will. Mehr öffentlicher Diskurs und eine breite
Information über brennende Probleme wie Abholzungen an stadtprägenden
Plätzen - das erwartet er von der Verwaltung.
Diese zu verschlanken und dabei Liebgewordenes zu erhalten, wird
die nächste Herausforderung für die Cottbuser Fraktionen
sein. Zum Thema Konservatorium und Stellenabbau wird es schon
in der nächsten Woche eine Sondierungssitzung geben. Gesprochen
wird wohl schon eher...
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Im Meinungsstreit
das Optimale herauskitzeln - das nimmt ohne große Parteienkoalitione
mehr Zeit in Ansruch, meinen Marion Hadzik (CDU) und Reinhard Drogla
(SPD) |