aus dem Hause Cottbuser General-Anzeiger Verlag GmbH

Steffen Reiche will Deutschland steuern
Der SPD-Kandidat zählt die Tage, nicht die „Nieten“

Cottbus (h). Stehender Beifall am Donnerstagabend im Brauhaussaal für Steffen Reiche. 89 Delegierte (oder zumindest 72, die für ihn stimmten) feierten den SPD Kandidaten im Wahlkreis 64. Einen anderen gab es nicht, dafür rote Gummibärchen und rote Melone (schwarzkernig auszuspucken) gegen die einfarbige Langeweile.
Denn spannend war es gerade nicht, was Reiche vortrug, nur stellenweise lustig, manchmal peinlich. Immerhin: Klar seine Aussage für Familienförderung. Jetzt stehe das elternbeitragsfreie Kindergartenjahr im SPD-Programm; dafür sei er schon 1999 eingetreten. Von Fehlern redete Reiche viel, die die SPD gemacht habe. Und es klang so, als wolle er auf diesen Fehlern beharren, sonst komme „noch Schlimmeres: nach Hartz IV Merz V und Merkel VI“. Eine merkwürdige, in sich keineswegs logische Steigerung. Da muß Pfarrer Reiche noch feilen an seiner Predigt und auch bedenken, daß ostdeutsches Wahlpublikum fast nie bibelfest ist. Das „C“ bei der Merkel-CDU sei eine Verletzung des 2. Gebotes (Du sollst den Namen deines Herrn nicht mißbrauchen), polemisiert er, und niemand versteht’s, aber da schießt er leicht frauenfeindlich nach: Ein Ruck müsse durchs Land gehen, kein Rock. Und: Wer am 18. September fremd geht, wacht am 19. mit Frau Merkel auf. Da ist der Pfarrer unter der Gürtellinie angekommen und wird von seinen Parteigenossen hoffentlich zu hören bekommen, daß selbst Populismus so einfach nicht geht.
Dabei ist der Kandidat ehrgeizig und brennt darauf, Deutschland voran steuern zu helfen. Knapp 60 Tage habe er nur noch Zeit, zu erklären, wie er dann 1 460 Tage regieren will. Mit besonders vielen „linken Nieten“ ließe sich das Schiff keinesfalls flott machen, deswegen zähle die (möglicherweise auch in der Lausitz Abtrünnigen?) auch niemand. Reiche will seine SPD regieren sehen, vielleicht mit einem anderen Koalitionspartner. - Dann doch CDU? Oder gar FDP? Die Wünsche ließ er offen. Ausdrückliche Hoffnungen setzte er auf Rückhalt aus den Gewerkschaften. Und darauf, daß sich die Menschen an Schröders klare Position gegenüber den USA erinnern. „Mit einem anderen Kanzler wäre Deutschland auf einer Schleimspur in den Irak-Krieg gerutscht.“ Dann hätte es nach Hiobs-Nachrichten aus Madrid und London vielleicht schon solche aus Berlin gegeben... das bleibt spekulativ. Aber konsequente Friedenspolitik - dafür will Reiche streiten. Sagt er.


Steffen Reiche (r.) Anfang Juli beim Gespräch „Versöhnen statt spalten“ in der Cottbuser Oberkirche mit Altbundespräsident Johannes Rau und Generalsuperintendentin Heilgard Asmus. Reiche, früher Brandenburg-Minister, jetzt Pfarrer im Wartestand und seit Donnerstag Bundestagsdirektkandidat der Niederlausitz-SPD, bewundert den frommen Westfalen, der Rat gebend erwähnt, er habe sich nie für Gesagtes entschuldigen müssen
Foto: Hnr.
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