aus dem Hause Cottbuser General-Anzeiger Verlag GmbH
Stadtumbau geht auch ohne den ganz großen Krach:
Die Versöhnung im DoppelDeck
Dr. Kunze: Wohnungskündigungen werden zurückgenommen -
kein Abriß für Blocks in der Bodelschwingh- und Albert-Förster-Straße in Sandow

Cottbus (h). Es war so ähnlich, wie bei der Schabowski-Erklärung über die Maueröffnung vor fast 16 Jahren. Die Nachricht kam so unerwartet und klang so unglaublich, daß zunächst keinerlei Jubel ausbrach. Hier nun war es GWC-Chef Torsten Kunze, der (ohne Zettel) etwas verklausuliert die erlösende Botschaft sprach: „Wir versuchen’s nochmal unter Einbeziehung der Mieter und gehen wieder in die aktive Vermietung.“
Gemeint waren damit die Sandower Häuser Bodelschwinghstaße 1-5 und 18-25 und die Albert-Förster Straße. Sie werden - im Klartext - nicht abgerissen, auch nicht in naher Zukunft. Heftiger Widerspruch der Mieter, zuletzt am Abend im Presse-Café DoppelDeck, hat zum Umdenken geführt. Maßgebend dafür war auch der Ton, der die „Verhandlungsmusik“ machte. Ein Mieter: „Mir läuft die Galle über, wenn ich immer nur Geld, Geld, Geld höre. Aber hier ist eine so kulturvolle Atmosphäre, und da will ich mich zurücknehmen...“.
Er und andere trugen sachlich eine Reihe von Argumenten für Häuser mit gut funktionierenden Mietergemeinschaften vor. Darauf ging Dr. Kunze dann mit seiner Erklärung ein. Und er versicherte: „Sie können sich auf das Wort des GWC-Geschäftsführers verlassen.“
Natürlich war er gut vorbereitet zum Termin ins überfüllte DoppelDeck gekommen. Im Aufsichtsrat war die bisher veröffentlichte Strategie korrigiert worden. Zwar müssen bis 2008 noch 4 096 Wohnungen „vom Markt genommen“ werden, dabei soll aber Sandow mit geringen Ausnahmen verschont bleiben. Kunze: „Der Stadtteil hat gewachsene Strukturen, stabile Mietergemeinschaften und eine zentrumsnahe Lage.“ Allerdings ist im einst „Roten Sandow“ der Altersdurchschnitt mit 47 Jahren zu hoch. So stellt sich Oberbürgermeisterin Karin Rätzel, die auf die Strategieänderung gedrängt hatte, vor, besonders jungen Leuten aus Neuschmellwitz, wo nunmehr der Abriß fortgesetzt wird, Wohnungen in Sandow anzubieten. Die haben sicher großes Interesse an den wolkennahen Wohnungen in der 5. Etage, die sich im hochbetagten Sandow nur noch schwer vermieten lassen. Dr. Kunze zu den Ex-Protestlern: „Das Klima in den Aufgängen muß dann geeignet sein, daß sich neue Mieter wohlfühlen.“
Den Fall Bodelschwingh- und Förster-Straße sieht der GWC-Chef als „Lehrstück“ . Es gebe keine gültigen durchdachten Konzepte oder gar eine Lehre für die aktuellen Aufgaben des Rückbaus. „Abbruchorganisation ist an keiner Uni studierbar“. Architekten weigern sich auch in anderen Städten noch immer, sich der baulichen „Sterbehilfe“ zuzuwenden. Auch Wohnungswirtschaftlern gefällt es nicht, Wohnungen zu räumen und Mietern den Wegzug
zu bezahlen. Dennoch bleibt die Realität hart. Von 19 Prozent Leerstand spricht Kunze als Durchschnittswert, in manchen Sachsendorfer Blöcken liege die Zahl bei 30 bis 60 Prozent, zehn Millionen Euro jährlich kosten die blinden Fenster.
Das Problem, das Mieterstimmung in Wallung bringt: „Auch bei 40 Prozent Leerstand leben in 60 Prozent der Wohnungen noch Menschen und die können sich zu 100 Prozent wohlfühlen.“ Die verzwickte Lage wird durch die Zunahme einkommensschwacher Hartz-IV-Haushalte verschärft. Kunze: „Denen geht es in intakten
unsanierten Wohnungen bei 2,50 Euro pro Quadratmeter besser, als in sanierten oder teilsanierten Wohnungen, die deutlich teurer sind.“
Der GWC-Chef räumt im Gespräch mit Moderatorin Gabi Grube ein, daß in den letzten Jahren mancherlei Fehler gemacht worden sind. Das Stadtumbaukonzept von 2003 sei naturgemäß nach damaligem Kenntnisstand und entsprechenden Erwartungshaltungen entwickelt worden. Aber die Leerzugsplanungen gingen nicht auf. Die Leute sind nicht aus den Abrißblocks in die adäquate Wohnung gegenüber, sondern ganz weggezogen. Die Wirtschaftlichkeit der Stadtteile ist durch den Abriß nicht besser geworden.
So bleibt also der größte Wohnungsanbieter dieser Stadt (jetzt 21 000 Wohnungen) Suchender im Stadtumbau. Und er bleibt, wie es scheint, allein mit sich der öffentlichen Kritik ausgesetzt. Der „Erfolg“, das Personal um ein Drittel reduziert zu haben innerhalb eines Jahres, könnte zum Problem werden, weil der Beratungsaufwand mit Management der Zwangsumzüge immens ist. Auch nach der „glücklichen Versöhnung“ im DoppelDeck klagen die Mieter noch, daß sie sich verschaukelt fühlten. Die GWC lasse keine Anzeichen mehr von Dienstleistungsmentalität erkennen.
Verlassen aber ist die GWC auch von den hauptsächlich für diesen Prozeß Verantwortlichen - den Stadtverordneten. Keiner wurde Donnerstagabend gesehen. Statt dessen übernahm der Veranstalter die Rolle des Vermittlers - immerhin.


Die beste Nachricht seit Wochen für Mieter der Bodelschwinghstraße 18 bis 25: ihr Haus bleibt stehen, lenkt GWC-Chef Torsten Kunze ein und hofft auf Mieterhilfe beim Wiederbezug der Leerstände. Das ist doch mal ein Anlaß zum Feiern, freuen sich die Mieter, die mit viel Wut im Bauch in die Talk-Runde PolitPiano gekommen waren
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