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Realität schlägt Vorlage: Hallo Nazi
Neues aus dem Künstlerstammtisch: TheaterMobil legt weitere Vorstellungen im Pavillon auf

Cottbus. Seit dem 23. September mussten die Vorstellungen von „Hallo Nazi“ unter Polizeischutz laufen. Mindestens drei jugendliche Nazis schlugen die Scheiben des ehemaligen Galerie-Pavillons ein. Das zerborstene Glas zog ein überregionales Medieninteresse nach sich, das weniger den Inhalt des Drei-Personen-Stückes thematisierte als vielmehr die ausgelöste Reaktion. Dennoch, sagt Regisseur Michael Becker im Künstlerstammtisch, ist das Ziel erreicht: „Wir wollten zeigen, dass es Rechtsextremismus nach wie vor gibt, und die Reaktion hat das klar gemacht!“. Das sei das Anliegen des gewissermaßen „journalistisch“ zugeschnittenen Stückes
der Autorengruppe Monoblock, das für die Schauspieler Rolf-Jürgen Gebert, Max-Grünebaum-Preisträger Paul Grill und Puja Behboud vor allem wegen der ungewöhnlichen Spielstätte und dem Regie-Debüt von Michael Becker anspruchsvoll war. Während draußen die Streife Wache hielt, zeichnete Gebert hinter dem Glas als Polizist Erich ein reales Bild des Polizeialltags zwischen Fürsorge und hartem Durchgreifen. Die Beamten werden deshalb als nächste eine extra Vorstellung bekommen. Dass Becker die Nazi-Hauptrolle Rudi mit dem iranischstämmigen Puja Behboud besetzte, widerspiegelt eine von vielen Wechselbildern der Inszenierung: Der Nazi wird zum Objekt des Mitleids, sobald der seine Stiefel ausgezogen hat, der Pole wird zum Nazi, wenn es um russische Autogeschäfte geht, beide zeitweise sogar zu Kumpanen wider Willen. Das Publikum - im gläsernen Pavillon von vier Seiten Zeugen des gewalttätigen Treibens in der imaginären Zelle - ist nicht nur örtlich, sondern auch emotional so nah dran, wie sonst in keiner Spielstätte. Nicht allein das hat dazu beigetragen, dass alle Vorstellungen ausverkauft waren. Weitaus schwieriger ist es, mit dem Thema auch die „Stiefelträger“ zu erreichen, die zuweilen von außen durch die Scheiben die - wie sie sagen - „Kranken“ darinnen bemitleidet haben, erinnert sich Rolf-Jürgen Gebert an Begegnungen. Aber auch dafür gibt es Anstrengungen. Auf mobile Theaterfahrt geht's mit „Hallo Nazi“ auch in die Dissenchener JVA. Zunächst ist das Stück aber in Schulen zu sehen.
Für die Spielstätte „Pavillon“ hat Regisseur Becker schon nächste Pläne „Mit einem
Frauentagsprogramm à la Maxi Wander“, verrät er.

Paul Grill, Rolf-Jürgen Gebert, Michael Becker
Den Finger auf die Wunde gelegt hat Michael Becker mit seiner Regiearbeit „Hallo Nazi“. Zum Künstlerstammtisch kamen die Darsteller des Polen Jan, Max-Grünebaum-Preisträger Paul Grill und Polizistendarsteller Rolf-Jürgen Gebert. Puja Behboud als Nazi ist bei Dreharbeiten zu seinem ersten Kinofilm unterwegs. Im nächsten Jahr kommt „Für den unbekannten Hund“ ins Kino
Foto: Jens Haberland
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