aus dem Hause Cottbuser General-Anzeiger Verlag GmbH
Es gibt immer eine Tüte Mehl
Barbara Bachmann spielt ein ergreifendes Buch / Ganz Cottbus liest
Wer weiß, ob es diese Oma Rosa wirklich gibt, oder ob sie nur die Halluzination im Morphiumrausch ist. Mit Oma Rosa jedenfalls ist Oskar schmerzfrei, fast fröhlich. Dabei hat er zu leiden: Er weiß nun, daß die Operation nicht half und er sterben muß, und, fast noch schlimmer, er weiß, daß seine Eltern zu feige sind, mit ihm darüber zu reden. Und so schreibt er an Gott: „...ich sehe aus wie sieben, ich bin im Krankenhaus wegen meinem Krebs, und ich habe noch nie mit Dir geredet, weil ich nämlich nicht daran glaube, daß es Dich gibt.“ Trotzdem wird dieser Gott seine Bezugsperson: „Bis morgen, Küßchen, Oskar.“ Und der Junge erzählt ihm von Rosa, der schon etwas älteren Schwester im rosa Kittel, die mal Catcherin war und aus dieser wilden Biografie immer Rat zieht. Da war mal die Gegnerin Sarah Flutschi-Flutsch, am ganzen Körper eingeölt, einfach weggeglitscht. Was haben Freunde von Oma Rosa gemacht? Ihr eine Tüte Mehl übergekippt! Es gibt immer eine Tüte Mehl im Leben - das ist die Botschaft. Und „die Tüte Mehl“ ist in Oskars Fall ein Trick: Jeden Tag soll er erleben wie zehn Jahre. Ihn ereilen junge Liebe, Jahre der Erfahrung, die Reife... Oskar stirbt nach erfülltem Leben mit 110. Traurig bleibt Oma Rosa zurück. Und im Theater weinen die Leute reihenweise.
Babara Bachmann ist diese Oma Rosa, und sie ist auch Oskar, und der Arzt und Oskars erste Liebe. Sie spielt das ganze Buch am Stück, allein zwischen 15 quadratischen Tischen, die sie vollkommen aus der Krankenhausordnung bringt, die in frappierender Weise zu Requisiten werden. Hopp! so hat sie Gegner bezwungen, und ein Tisch landet geschlagen auf der Platte. Sie agiert, und man spürt staunende Augen des Kindes, das gar nicht vorkommt. Eine ergreifende Erzählweise von unendlicher Meisterschaft. Barbara Bachmann bekam dafür, nachdem sich die Bedrückung löste, minutenlangen Applaus, Bravo-Rufe und trampelndes Dankeschön. Erarbeitet worden ist die Inszenierung, in der trotz aller Tragik so außerordentlich viel Optimismus mitschwingt, von Rudolf Koloc, Gundula Martin hat sie so ausgestattet, daß die Empfindungen den Raum haben, eine Geschichte zu werden.
Gespielt wurde das Buch „Oskar und die Dame in Rosa“, das in diesem Jahr für die Aktion „Eine Stadt liest ein Buch“ ausgewählt wurde. Es hat nur 100 Seiten und große Schrift, aber ein großes Gewicht - zu haben bei Heron. J.H.
Barbara Bachmann
Unglaublich anrührend und doch optimistisch: Oma Rosa (Barbara Bachmann) gibt Klein-Oskar Sterbehilfe. Cottbus liest das Buch von Eric-Emmanuel Schmitt, die Bachmann spielt es - und wie!

Foto: Marlies Kross
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