Eine Hochzeit in 246 Garnfarben
Cottbuser Unternehmen knüpften Teppiche für allerhöchste Ansprüche
Cottbus (h). Die Niederlausitz mit den Industrie-Zentren Forst, Cottbus, Guben, Spremberg und Finsterwalde war bis zur Wende 1989/90 ein „deutsches Manchester“ mit international geschätzter Tuchproduktion. Gleichermaßen bedeutend war die Teppichproduktion; in der Technik der Teppichknüpferei erlangte Cottbuser Ware Weltruf, wovon das Rätselbild der Reihe „Damals war’s...“ in der Vorwoche erzählte.
Neben der bekannten Teppichfirma Smyrna (Berliner Straße / Ecke Wernerstraße) gab es die „Cottbuser Teppichfabrik“ von Richard Otto, zunächst mit der Adresse Am Amtsteich, später Ostrower Damm 9 (zuletzt in DDR-Zeiten Haus der Dienste). Otto hatte bei Krüger & Hahn, der ältesten Cottbuser Teppichknüpferei (gegr. 1894) gelernt und sich 1924 selbständig gemacht.
Das Rätselbild der Vorwoche zeigte Firmeninhaber Richard Otto (r.) mit der Teppichzeichnerin (im weißen Kittel neben Otto) und den drei Frauen, die diesen Teppich der Größe 8 mal 12 Meter geknüpft haben. Möglich, daß es gerade derjenige war, der für die Berliner Reichskanzlei geliefert wurde. Derart große Stücke sind stets in speziellem Auftrag für repräsentative Räume, auch zum Beispiel auf Luxusdampfern, geknüpft worden. Die Knüpferinnen waren meist Arbeiterinnen aus dem Spreewald, die hohe Qualität bei schneller Fertigkeit ga-rantierten.
Nach dem Krieg hat Otto auch Teppiche gewebt, die - meist als rote Läufer mit grüner Umrandung - in großer Stückzahl als Reparationsleistungen in die Sowjetunion gingen. Die Produktion wurde von sowjetischem Militär überwacht und die Ware durch sie übernommen. Dadurch entstanden auch Aufträge für die Knüpferei, wie nebenstehend abgebildetetes Motiv einer „Gregorianischen Hochzeit“, eine offensichtliche Huldigung an Josef Semjonowitsch Stalin, der links am Tisch sitzend als Hochzeitsgast dargestellt ist. Gleichzeitig wurde in 2,40 mal 4 Meter Abmessung ein Stalin in voller Größe mit Gefolge auf der Kremltreppe geknüpft. Beide Stücke gingen nach Berlin-Schönefeld zur Ausschmückung eines russischen Offizierscasinos.
Die Technik der Cottbuser Teppichknüpfer ist nicht ganz verlorengegangen. Die letzten Stühle der Altfirma Krüger & Hahn wurden museal gesichert. Ein solcher Stuhl ist funktionstüchtig im Stadtmuseum aufgebaut und wird einmal wöchentlich durch Heinz Helmchen, den letzten Cottbuser Teppichknüpfer, betrieben.

„Gregorianische Hochzeit“ heißt dieser um 1952 in der Firma Richard Otto, Ostrower Damm 9, geknüpfte Teppich. Stalins Teilnahme an solch einem Fest sollte hier farbenfroh dargestellt werden - in immerhin 246 Garnfarben. Das gute Stück schmückte ein russisches Offizierscasino in Schönefeld
zurück...