Cottbus
(h.) Bestens disponiert und informationsfreudig gab sich die
Oberbürgermeisterin Donnerstagabend inmitten der Moderatoren
Denis Kettlitz und Gabi Grube. Die schon traditionelle Talk-Stätte
war überfüllt wie schon seinerzeit, als Karin Rätzel
von gleicher Stelle ihre Einzelkandidatur für das OB-Amt bekanntgab
und ihr Wahlprogramm erläuterte. An dem, das registrierten
auch die kritischsten unter den Gästen positiv, hält sie
Wort für Wort fest. Nur eins sei ihr noch nicht gelungen: einen
"Rat der Weisen" an ihre Seite zu stellen. Sie habe ursprünglich
an Persönlichkeiten aus den Kammern und Verbänden gedacht,
doch sei sie etwas enttäuscht zu der Einsicht gelangt, daß
man dort fast ausschließlich mit sich selbst beschäftigt
sei. "Vielleicht ist auch ganz gut, Berater von außerhalb
mit gewisser Draufsicht auf unsere Dinge zu finden", überlegte
die Stadtchefin laut.
ECE: noch zweideutig
Natürlich stand am Anfang des Abends das Thema ECE im Raum.
"Das Projekt in jetziger Form spaltet die Bürgerschaft
wie nie eine Sache zuvor", meinte Karin Rätzel. Um so
ärgerlicher ist das Stadtoberhaupt über die Hysterie,
die gewisse Kreise in der Zeit vom 11. bis zum 18. November mit
einem mysteriös an die Öffentlichkeit geratenen angeblichen
Bescheid aus dem Innenministerium entfacht haben. "Die Kommunalaufsicht
hat uns keinen endgültigen Bescheid zugestellt, sondern mir
mit einer unzulässigen Rechtsmittelklausel die Verantwortung
erneut zugeschoben", erklärt die Oberbürgermeisterin.
Sie wolle aber am Ende keinesfalls in Haftung genommen werden. Das
städtische Klima gibt ohnehin keinen Anlaß zu Leichtfertigkeit:
"Ich habe schon Signale bekommen, ruhig zu sein", deutet
sie Druck an, aber sie halte an dem Standpunkt fest, mit dem sie
gewählt wurde. Im übrigen habe sie Anfang der Woche mit
Alexander Otto in Hamburg, dem ECE-Investor gesprochen: "Ich
kann mir nicht vorstellen, daß er genau informiert ist über
das derzeitige Geschehen hier vor Ort", sagt sie. Ihr liege
wenig daran, daß der Ruf eines Unternehmens womöglich
geschädigt werde, mit dem Cottbus gern diesen Magnet an dieser
Stelle bauen will - möglichst offen und mit integrierter Backsteinschule.
"Wir werden allen Gestaltungsspielraum ausloten - aber so weit
sind wir noch nicht", schloß sie das Thema zuversichtlich.
James Bond 2003?
Was aber, so Gabi Grubes Frage, macht das Cottbuser Kino. Sehen
wir James Bond 2003 in der Stadt? Wohl noch nicht, aber der Stand
der Dinge sei überschaubar. Ohne genaue Definition der Kosten
für die Altlastenbeseitigung am Baustandort, könne keine
Finanzierung der Sanierung - durch wen auch immer - erfolgen. "Jetzt
bekommen wir Hilfe von der BTU - mit wissenschaftlich definiertem
Aufwand wird die Finanzierung bald kein Problem sein.
Auch an ihre Hallenbad-Vison für Sachsendorf halte sie fest,
sagt Karin Rätzel. Dort kann private Investition zum Zuge kommen.
Im Übrigen sei man im "Bäderkonsens" mit Burg:
Die Spreewaldgemeinde wird das "Gesund-Baden" in der Region
betreiben, Cottbus das "sportliche Baden". Die CMT, derzeit
Bäderbetreiber, habe mit dem neuen Geschäftsführer
ihren "erschreckenden Haushalt-Status" offenbart; die
Stadtverwaltung tendiert dazu, die Bäder den Sportstätten
zuzuordnen. Eigentlich sei die CMT gar nicht haltbar, aber die Stadt
steckt hier mit 30 Millionen Euro in der Bürgschaft und hätte,
auch wenn sie das Unternehmen stillege, immensen Kapitaldienst zu
bringen. Immerhin seien im Veranstaltungswesen Besserungen in Aussicht.
Verständnis wecken
Trotz mancher schwerwiegender Probleme sieht Karin Rätzel die
Stadtgeschäfte gut in Fluß. Den Vorwurf eines CDU-Abgeordneten,
"Politik aus der Black-Box" anzubieten sehe sie gelassen.
"Ich haben dem Herrn Nachhilfe angeboten". Die Stadt habe
kein "Parlament", in dem "Regierungserklärungen"
abgegeben werden, sondern eine hauptamtliche und eine ehrenamtliche
Verwaltung. Und die arbeiten recht produktiv: 90 Vorlagen passierten
das Parlament, vielfach nach erster Lesung, weil sie gut vorbereitet
und in den Gremien fundiert behandelt waren.
Man könne in dieser Stadt, mit den Unternehmen und ihren Bürgern
sehr gut arbeiten, schildert Karin Rätzel Erfahrungen aus 30
Wochen. "Die Menschen können nämlich mit allem leben,
selbst mit Wohnraum-Rückbau und mit Einschränkungen, wenn
sie nur rechtzeitig und offen informiert sind.
An Beispielen für Engagement für die Stadt fehle es nicht.
Sie nannte das Erfolgsprojekt Spree-Arkaden und Mühleninsel,
die Ansiedlung von 300Arbeitsplätzen von BfA und Knappschaft,
die Entscheidung von Textil-Steilmann und Kegelbahn-Funk für
diesen Standort. Wie, will Denis Kettlitz wissen, gewinnt man Investoren;
mit Bittgesuchen? "Nein, diese Leute können überall
in Deutschland sein; sie entscheiden sich für den Ort, wo sie
Professionalität im Rathaus vorfinden", ist die Antwort.
Das neue Team
Es sei ihr geglückt, für die Dezernate die Leute zu bekommen,
die sie wollte. Die können eigenverantwortlich arbeiten, "wir
verhaspeln uns jetzt nicht, sondern sondieren, sichern Qualität
und werden im Januar verkünden, was die neue Rathausführung
zusammen will.
Sie will, das voraus, auch gu-tes Miteinander mit dem Umland. "Der
Landrat ist wie es ist - manchmal recht poltrig, aber eben auch
klug. Wir reden zusammen, was wir erreichen, muß sich zeigen."
- Die Oberbürgermeisterin bekam viel Beifall
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Stühle,
Hocker, Treppen und auch
Stehplätze - alles besetzt im Presse-Café DoppelDeck
bei Karin Rätzels
"Herbstlese" nach 30 Cottbuser Regierungswochen
Foto: Hnr. |