aus dem Hause Cottbuser General-Anzeiger Verlag GmbH
Brücken aus Bewußtsein
Über weit mehr als sieben Brücken können die Cottbuser gehen

Cottbus (tr). „Der Abriß der Fußgängerbrücke über die Straßenbahn ist sehr schade. Schließlich ist dieses Bauwerk ein echtes Unikat“, bedauert Heimatforscher Dr. Christian Lehm. Er muß es wissen, war doch der Straßen- und Brückenbau sein Studieninhalt. Nach der Studienzeit verschlug es den gebürtigen Erzgebirgler in die Lausitz, wo er von 1958 bis 1989 für sämtliche Brücken des Bezirkes Cottbus die Verantwortung trug.

Ein Brückenschicksal
Ihr 30. Jubiläum feiert die Fußgängerbrücke in diesem Jahr. Ein trauriges Jubiläum, soll das Bauwerk doch demnächst der City Galerie weichen. Der Clou an dieser Brücke sei die Statik, erzählt Dr. Lehm, denn „wenn man die Uhr und die Säule wegnehmen würde, klappt das Bauwerk nach oben“. Unbedingt die Uhr auf seinen Museumshof haben, wollte der Leiter der Stadtgeschichtlichen Sammlungen, Steffen Krestin. Das klappte jedoch nicht und so muß sich der Museologe mit den Zaungeländern der alten Bahnhofsbrücke trösten, die im Zuge der Neugestaltung des Hofes der WernerPASSAGE aufgebaut werden sollen.

Brücke oder Tunnel?
Mit den Bahnhofsbrücken zeigt sich Dr. Christian Lehm ganz besonders verbunden, seit er in Cottbus ist, da er sofort nach seinem Amtsantritt die Westbrücke projektieren mußte. Die Bahnhofsbrücke blickt auf eine mehr als 100 jährige Geschichte zurück. Bis 1945 gehörte sie der Reichsbahn, danach wurde das Bauwerk abgegeben. Im Zuge der Trassenelektrifizierung sollte die neue Brücke ganz nach den Wünschen der Bahn gestaltet werden. Es gab sogar Überlegungen, in der Thiemstraße einen Tunnel unter der Bahn zu bauen. Jedoch waren die städtischen Baubetriebe diesem Projekt gegenüber nicht positiv eingestellt und des weiteren wäre die Tunnelvariante wesentlich teurer geworden. Übrigens war die Bahnhofsbrücke damals die erste Stahlverbundbetonbrücke der DDR, die seit mehreren Jahrzehnten wieder errichtet wurde.

Über Mütterchen Spree
Was wäre Cottbus ohne seine Spreebrücken? So gehört beispielsweise die Sandower Brücke zu den ältesten Bauwerken ihrer Art der Stadt. Sie ist im übrigen mit 20 Metern zwischen den beiden Geländern die breiteste Brücke der Spree-stadt. Beim Neubau anno 1956 nach der kriegsbedingten Zerstörung wurden die Pfeilerverkleidungen aus Meißner Granit gefertigt und somit sind sie bis heute ein echtes Prunkstück, erzählt Dr. Lehm. Als Schmuckstück gilt ebenso die Jubiläumsbrücke, erbaut im Jugendstil. Sie wurde im Jahre 1913 anläßlich des 25. Amtsjubiläums von Kaiser Wilhelm I. errichtet.

Die WM am Stadtring
Die Hochstraße des Stadtrings wurde gerade während der Fußballweltmeisterschaft 1978 in Argentinien erbaut. Damals wurde gerade der Beton gegossen und nebenbei Fußball geschaut, oder war es umgekehrt, ist sich Dr. Lehm nicht ganz sicher.

Brücke oder Durchlaß?
Zu DDR-Zeiten galt übrigens der Slogan „Die Brücken halten aus Bewußtsein“. Realistisch gesehen besitzen diese Bauwerke eine Betriebszeit von 100 Jahren, weiß Brückeningenieur Dr. Lehm. etwa 52 Brücken gibt es in Cottbus. Alle Bauwerke, deren Stützweiten zwei Meter nicht überschreiten, gelten nicht als Brücken sondern als Durchlässe.

„Brückenexperte“ Dr. Christian Lehm
„Brückenexperte“ Dr. Christian Lehm (re.) konnte so viel Geschichte und Geschichten über die Cottbuser Brückenbauwerke erzählen, daß sich selbst der Leiter der Stadtgeschichtlichen Sammlungen, SteffenKrestin, einige spannende Fakten notierte
Foto: h.

Sapower Spreebrücke
Grundsaniert wurde in diesem Mai die Sapower Spreebrücke dem Verkehr übergeben. Bis zur Sanierung war sie die letzte Brücke, wo man noch Stahlbeton-fertigteile sehen konnte, erinnert sich Brückenexperte und Heimatforscher Dr. Christian Lehm. Die Brücke war eigentlich nur für 30 Tonnen ausgelegt, weit vor der Zeit als benachbarte Mülldeponie ihren Platz fand. Jetzt ist die Brücke auch für die schwereen Müllfahrzeuge problemlos befahrbar
Foto: T. Richter

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